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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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und lästerlich bezeichnet wurde.
      Bald schon wurde ich vor einen Fipo zitiert, der mir erklärte, mein neuerliches schändliches Verhalten zwinge ihn, mich zu einer Strafe von drei Jahren freier Steinmetzarbeit zu verurteilen. Am Tage darauf schwamm ich in Begleitung von siebenunddreißig Pintern mit einem Boot unter den bereits bekannten Umständen, das heißt bis zum Kinn im Wasser, in die Steinmetzgefilde. Sie lagen weit außerhalb der Stadt. Unsere Arbeit bestand darin, Bildsäulen von Fischen der Gattung Wels anzufertigen. Soweit ich mich erinnern kann, meißelten wir davon rund 140 000 Stück. Frühmorgens schwammen wir zur Arbeit, Lieder singend, von denen mir eines besonders gut in Erinnerung geblieben ist. Es begann mit den Worten: »Im Wasser, im Wasser, da ist es wunder schön…« Nach der Arbeit kehrten wir in unsere Räume zurück. Vor dem Abendessen, das man unter Wasser einzunehmen hatte, dozierte täglich ein Lektor über Unterwasserfreiheiten und gab uns auf, den »Taucher« auswendig zu lernen. Freiwillige konnten sich in den Klub der Verehrer der Flossenhaftigkeit eintragen lassen. Wenn der Lektor seinen Vortrag beendet hatte, fragte er stets, ob jemand von uns nicht die Lust zum Meißeln verloren habe. Da sich niemand meldete, tat ich es ebenfalls nicht. Übrigens erklärten die im Saal verteilten Flüsteranlagen, daß wir Lust hatten, noch lange zu meißeln, und dies möglichst unter Wasser.
      Eines Tages ließ unsere Leitung Anzeichen besonderer Erregung erkennen, und beim Mittagessen erfuhren wir, daß heute an unseren Werkstätten der Große Hechter vorbeikommen werde, der zur Inkarnation baldurenhafter Milte aufgebrochen sei. Wir schwammen also seit Mittag in Formationen herum in Erwartung des hohen Gastes. Es regnete, und es war entsetzlich kalt, so daß wir alle zitterten. Die auf Schwimmbojen befestigten Flüsteranlagen verkündeten, daß wir vor Begeisterung bebten. Die Vorbeifahrt des Gefolges des Großen Hechters in siebenhundert Booten währte fast bis zum Einbruch der Dunkelheit. Ich hatte Gelegenheit, den Hechter aus nächster Nähe zu sehen; er besaß zu meinem Erstaunen nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Fisch. Nach seinem Äußeren zu urteilen, war er ein ganz gewöhnlicher, hochbetagter Pinter mit schauderhaft verrenkten Gliedmaßen. Acht in scharlachrote und goldene Schuppen gekleidete Magnaten stützten die würdigen Schultern des Herrschers, als er mit seinem Kopf aus dem Wasser tauchte, um Atem zu holen. Dabei hustete er so entsetzlich, daß er mir leid tat. Zu Ehren dieses festlichen Ereignisses hämmerten wir achthundert Standbilder der Gattung Wels über den Plan.
      Eine Woche später spürte ich zum erstenmal ein scheußliches Reißen in den Armen. Meine Gefährten sagten, das seien einfach Anfänge von Rheumatismus, der größten Plage in Pinta. Man dürfe aber keinesfalls äußern, daß es sich um eine Krankheit handle, es seien vielmehr Anzeichen ideologisch falschen Widerstandes des Organismus gegen die Fischwerdung. Erst jetzt wurden mir die Verrenkungen der Pinter verständlich.
      Man führte uns jede Woche zu Vorstellungen, die die Perspektiven des Unterwasserlebens aufzeigten. Ich rettete mich damit, daß ich die Augen schloß, denn die bloße Erwähnung des Wassers erweckte in mir Übelkeit.
      Fünf Monate brachte ich auf diese Weise zu. Gegen Ende dieses Abschnitts freundete ich mich mit einem bejahrten Pinter an, einem Universitätsprofessor, der freiheitlich meißeln mußte, weil er in einer Vorlesung erklärt hatte, das Wasser sei zwar wirklich für das Leben unerläßlich, aber in anderem Sinne, als dies allgemein praktiziert werde. In den Gesprächen, die wir hauptsächlich nachts führten, schilderte mir der Professor die Geschichte Pintas. Einst hatten den Planeten heiße Winde geplagt, und die Gelehrten wiesen nach, daß ihm die Verwandlung in eine öde Wüste bevorstünde. Sie arbeiteten deshalb einen großen Bewässerungsplan aus. Damit er durchgeführt werden konnte, mußten entsprechende Institutionen und übergeordnete Büros eingerichtet werden. Später, als das Netz der Kanäle und Reservoirs angelegt war, wollten sich die Büros nicht auflösen, sie blieben weiter tätig und setzten die Bewässerung Pintas fort. So kam es dazu, daß das, was beherrscht werden sollte, uns beherrschte, erzählte der Professor. Niemand wollte sich das jedoch eingestehen, und der nächste Schritt, der sich mit zwingender Notwendigkeit daraus

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