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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mir gestern, demnächst würde der Ström hereinbrechen, aber ich vergaß, ihn zu fragen, was das bedeutet. Ich soll Professor Zazul, einem hervorragenden ardritischen Gelehrten, vorgestellt werden, weiß nur noch nicht, wann.

    6. XI.
      Heute morgen riß mich ein entsetzlicher Donner aus dem Schlaf. Ich sprang aus dem Bett und erblickte über der Stadt hohe Rauch- und Feuersäulen. Sogleich rief ich die Hotelauskunft an und fragte, was denn los sei.
      »Nichts Besonderes«, erwiderte die Telefonistin. »Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen, das ist nur der Ström.«
      »Der Ström?«
      »Ja doch, die Meteorenströmung, die uns alle zehn Monate heimsucht!«
      »Das ist ja furchtbar!« rief ich aus. »Muß man da nicht in den Schutzkeller?«
      »Oh, gegen Meteorentreffer gibt es keinen Schutz. Aber wie jeder einzelne Bürger besitzen Sie doch eine Reserve und haben daher nichts zu befürchten.«
      »Was für eine Reserve?« fragte ich, aber die Telefonistin hatte schon aufgelegt. Ich zog mich rasch an und trat ins Freie. Der Straßenverkehr war völlig normal; die Passanten gingen ihren Angelegenheiten nach, die Amtspersonen mit ihren bunt flammenden Orden auf der Brust fuhren in die Büroblöcke, und in den Grünanlagen leuchteten und sangen die Kinder im Spiel. Die Explosionen klangen nach einiger Zeit ab, und nur von fern drang ein ununterbrochenes Donnern. So wähnte ich, der Ström sei offenbar eine verhältnismäßig unschädliche Naturerscheinung, da sich hier niemand etwas daraus machte, und ließ mich, wie vorgesehen, zum zoologischen Garten befördern.
      Ich wurde vom Direktor selbst umhergeführt, einem hageren, nervösen Ardriten von schönem Glanz. Der Tentotamer Zoo ist sehr ordentlich gehalten; der Direktor erklärte mir stolz, daß er Tiersammlungen aus den entlegensten Gegenden der Milchstraße besitze, darunter auch etwas von der irdischen Fauna. Gerührt wollte ich es sehen.
      »Jetzt ist es leider unmöglich«, entgegnete der Direktor und fügte auf meinen fragenden Blick hinzu: »Schlafenszeit. Wissen Sie, wir hatten große Schwierigkeiten mit der Akklimatisierung, und ich fürchtete schon, daß wir ein Exemplar davon nicht am Leben erhalten könnten, doch zum Glück zeitigte die Vitamindiät, die unsere Gelehrten zusammenstellten, glänzende Resultate.«
      »Aha, aber was sind das eigentlich für Tiere?«
      »Fliegen. Haben Sie Kulupen gern?«
      Er musterte mich mit einem eigenartigen erwartungsvollen Blick, so daß ich in einem Ton antwortete, der ungeheuchelte Begeisterung verraten sollte: »O ja, sehr, es sind doch so reizende Geschöpfe!«
      Er hellte sich auf. »Das freut mich. Wir gehen gleich zu ihnen, zuvor aber müssen Sie mich ein Weilchen entschuldigen.«
      Er kam sofort wieder, ein Seil um den Leib, und führte mich in das Kulupengehege, das von einer neunzig Meter hohen Mauer umgeben war. Er öffnete die Pforte und ließ mir den Vortritt.
      »Sie können ruhig hineingehen«, sagte er, »meine Kulupen sind ganz zahm.«
      Ich sah mich auf einer künstlich angelegten Torpe, wo sechs oder sieben Kulupen weideten, lauter Prachtexemplare, jedes etwa drei Hektar groß. Als der Leitkulup die Stimme des Direktors hörte, trottete er heran und hielt den Schwanz hin. Mein Begleiter erklomm ihn und forderte mich auf, ihm zu folgen. Als es zu steil wurde, entrollte er das Seil und reichte mir ein Ende, damit ich es mir umgürtete. Aneinandergeseilt kletterten wir wohl an die zwei Stunden. Oben auf dem Gipfel angelangt, ließ sich der Direktor, stumm vor Rührung, nieder. Auch ich sprach kein Wort, um seine Gefühle nicht zu verletzen. Nach einer Weile fragte er: »Ist die Aussicht von hier nicht schön?«
      Wir hatten tatsächlich fast ganz Tentotam mit seinen Türmen, Tempeln und Trichterblöcken zu unseren Füßen, in den Straßen wimmelte es von Passanten, die klein waren wie Ameisen.
      »Hängen Sie sehr an den Kulupen?« fragte ich leise, als ich sah, wie zärtlich er dem Tier die Kruppe streichelte.
      »Ich liebe sie«, sagte er schlicht und blickte mich an. »Die Kulupen sind schließlich die Wiege unserer Zivilisation.« Nach einer besinnlichen Pause fuhr er fort: »Einst, es ist Tausende von Jahren her, hatten wir weder Städte noch Prachtbauten, weder Technik noch Reserven… Damals pflegten uns diese mächtigen und doch sanften Wesen, waren sie unsere Zuflucht in der Not der Strömperioden. Ohne die Kulupen hätte kein einziger

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