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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sein«, entgegnete er.
      Ich biß mir wütend auf die Lippen und erwiderte nichts, in der Meinung, er wolle mich zum Narren halten. Jetzt wurde eine große Zisterne auf den Platz gefahren, eine teerähnliche, rubinrot leuch tende Masse ergoß sich daraus und wurde zu einem ansehnlichen Kegel aufgeschichtet; sogleich steckte man Rohre in diese breiige, glühende Masse und begann Luft hineinzupressen. Der Brei verwandelte sich in eine Blase, die sich mit atemberaubender Geschwindigkeit ausdehnte. Eine Minute später bildete sie bereits eine täuschend ähnliche Kopie des ehemaligen Theatergebäudes, nur daß sie noch weich war und im Winde schlotterte. Nach weiteren fünf Minuten fand ich den neugeblasenen Bau erstarrt; in diesem Augenblick zertrümmerte ein Meteorit wieder einen Teil des Daches. Also wurde ein neues Dach dazugeblasen, die Flügeltüren öffneten sich, und die Zuschauermassen strömten hinein. Als ich mich setzte, merkte ich, daß mein Platz noch warm war, aber das war auch das einzige Zeugnis der Katastrophe. Ich fragte meinen Nachbarn, wie dieser Blasebrei heiße, und erfuhr, das sei die berühmte ardritische Blockmasse.
      Die Aufführung begann mit nur einer Minute Verspätung. Ein Gong ertönte, der Zuschauerraum wurde dunkel und glich jetzt einem Ofenrost voll verglimmender Kohlen, dafür erstrahlten die Künstler in herrlichem Glanze. Es wurde ein historischsymbolisches Stück gegeben; offen gesagt, begriff ich kaum etwas davon, um so weniger, als vieles durch Farbpantomime dargestellt wurde. Der erste Akt spielte in einem Tempel; junge Ardritinnen bekränzten eine Drumabildsäule und sangen von ihren Geliebten.
      Doch da erschien ein bernsteingelber Prälat, der die Mädchen verjagte, ausgenommen das schönste, das durchsichtig war wie Quellwasser. Der Prälat schloß es in die Bildsäule ein. Nun rief die Gefangene singend den Geliebten herbei, der auch prompt hereinstürmte und den Greis auslöschte. In diesem Augenblick zerschmetterte ein Meteor das Gewölbe, einen Teil der Dekoration und die Liebhaberin, aber schon wurde aus dem Souffleurkasten die Reserve herausgeschoben, und zwar so geschickt, daß man gar nichts merken konnte, wenn man sich gerade räusperte oder blinzelte.
      Im weiteren Spielverlauf kamen die Liebenden überein, eine Familie zu gründen. Zum Abschluß wurde der Prälat in den Abgrund gestürzt, und dann folgte die Pause.
      Als der Vorhang wieder hochging, erblickte ich eine mysteriöse Kugel, bestehend aus den beiden Gatten und ihrer Nachkommenschaft, die zur Musik auf und ab rollte. Da erschien ein Dienstbote und verkündete, ein unbekannter Gönner habe dem Ehepaar einen Armvoll Sepulken gesandt. In der Tat wurde ein gewaltiges Paket auf die Bühne geschleppt, dessen Enthüllung ich gespannt entgegensah. Als der Deckel angehoben wurde, erhielt ich einen heftigen Schlag auf den Schädel und verlor die Besinnung. Als ich auf demselben Platz wieder zu mir kam, wurde auf der Bühne nicht mehr von Sepulken gesprochen, indes tobte der ausgelöschte Prälat dort herum, stieß fürchterliche Verwünschungen aus, und um ihn standen tragisch leuchtend Kinder und Eltern. Ich griff mir an den Kopf, fand aber keine Beule.
      »Was ist mit mir geschehen?« fragte ich leise meine Nachbarin.
      »Wie bitte? Ach so, ein Meteor hatte Sie getötet, aber Sie haben von der Aufführung nichts verloren, das Duett war geradezu fatal. Andererseits ist es einfach skandalös: Ihre Reserve mußte erst aus der Galax geholt werden«, hauchte die nette Ardritin zur Antwort.
      »Was denn für eine Reserve?« fragte ich und spürte, wie mir schwarz vor den Augen wurde.
      »Na, Ihre eigene…«
      »Und wo bin ich?«
      »Wieso? Im Theater natürlich. Fühlen Sie sich nicht wohl?«
      »Ich bin also die Reserve?«
      »Ja.«
      »Und wo ist der Ich, der vorhin hier war?«
      Die Zuschauer vor uns begannen schon laut zu zischen, und meine Nachbarin verstummte.
      »Ein Wort noch, ich flehe Sie an!« flüsterte ich. »Wo befinden sich die… na… Sie wissen doch…«
      »Ruhe! Was ist denn da los? Hier wird nicht gestört!« tönte es immer lauter von allen Seiten. Mein Nachbar, orangerot vor Wut, rief bereits nach den Ordnern. Fast besinnungslos rannte ich aus dem Theater, jagte mit dem ersten Eborett ins Hotel zurück und betrachtete gewissenhaft mein Spiegelbild. Ich hatte schon wieder Mut gefaßt, denn ich sah aus wie früher – da machte ich jedoch bei

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