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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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die ihm gefiel. Seit er sie als Kind verloren hatte, schluckte er seine Fragen herunter, weil ihm niemand mehr Antworten gab. Er hob das Bild auf und behielt es in der Hand, sah sich selber winken und sah Katja die Hände zum Himmel heben, um die Sterne zu fangen. Robin mit seinem kleinen Teddy im Arm – »Du kleiner Lügner«, flüsterte er. »Du Wicht mit deinem großen Maul.«
    Ein bißchen hatten sie ja doch darüber geredet, nur in der U-Bahn, aber dann eine lange Zeit nicht mehr. Nur manchmal konnte einer im Gesicht des anderen erkennen, daß der töten wollte.
    »Siehste, daß ich recht hab«, sagte Robin in der U-Bahn. Er sagte es nicht laut, sondern wisperte es nur vor sich hin.
    »Recht mit was?« Nie zuvor und nie danach hatte Dorian sich so sehr nach dem Haus der Tillmanns gesehnt, denn er wollte baden und duschen und dann wieder baden. Schlafen wollte er, ein Jahr lang oder zwei. Und er wollte nicht reden, schon gar nicht über das, was geschehen war.
    »Die Tussi.« Robin sah aus dem schwarzen Fenster, sah sein eigenes Gesicht mit dem großen Pflaster auf der Stirn. »Sie isses gewesen.« Seine Augen wurden schmal, als er sagte: »Sie hat uns erkannt.«
    »Was, diese Schlampe da?« Dorian lachte so laut, daß die paar Gestalten, die zu dieser Zeit noch U-Bahn fuhren, mißtrauisch herüberglotzten. »Du Knallkopf, der waren wir total fremd, hast du das nicht mitgekriegt? Ist ja auch logisch, woher sollte so eine uns kennen?«
    »An den Namen«, sagte Robin müde.
    »Nein, die gehörte da hin. Vielleicht – ich meine, vielleicht ist sie nicht freiwillig da, ist so eine Gefangene von denen, kann ja sein.«
    »Mensch, sie isses gewesen.«
    »QUATSCH.« Dorian packte ihn und wollte ihn schütteln, als ihm einfiel, wie weh ihm das tun mußte überall. Sofort ließ er los. »Du hast an unsere Mutter gedacht, darum bildest du dir das jetzt ein. Du hast nach ihr gerufen, hast Mama gerufen, Mama.«
    »Hab ich nicht « , zischte Robin. »Ist nicht wahr.«
    »Klar hast du. Ist ja auch okay. Kannst es ihr eines Tages erzählen, wenn sie zurückkommt, da wird sie lachen, glaub’s mir, das wird sie freuen.«
    »Du blöder Arsch«, murmelte Robin. »Du Knallkopp, du.«
    In der Nacht bekam er Fieber. Er stöhnte und weinte leise vor sich hin und wollte viel trinken.
    »Ich paß auf«, sagte Dorian. Früher, wenn der kleine Robin Fieber hatte, trug Katja ihn herum. Sie drückte ihre Lippen auf seine Stirn und wiegte ihn langsam hin und her. Das konnte er nicht tun. Aber er blieb wach und achtete auf Robins Atem, und irgendwann, als er schon die ersten Sonnenstrahlen sah, fiel ihm der Name der Schuhe, dieser Nuttenschuhe ein, auf denen die Schlampe vor seinen Augen hin- und hergetippelt war. Pumps hießen sie, einfach Pumps, so kurz und blöd, daß es zum Lachen war.
    »Pumps«, murmelte Dorian. An diese Schuhe hatte er ewig nicht gedacht. Aber es war ja immer so, daß Dinge einem in den Sinn kamen, wenn man an ganz andere Dinge dachte.

[ 14 ]
    Als sie mit Belloff fertig waren, spürte sie ein Zittern in den Beinen. Bloß keine Zustände jetzt, diese Psychoscheiße, die der Polizeipsychologe traumatisches Streßsyndrom nannte. Immer fanden sie Namen für den ganzen Mist, deuteten, erklärten und sprachen jeden frei von Schuld. Fast hatte sie erwartet, daß Belloff ihnen vorjammern würde, er sei als Kind mißhandelt worden, frühkindliches Trauma, wissen Sie? Mußte deshalb selber mißhandeln, so quatschten die doch daher, kamen mit Erklärungen an und konnten nichts dafür. Wollten womöglich noch Hilfe.
    Zitternde Beine, als wäre sie im Trainingsraum fünf Kilometer Rad gefahren und hätte anschließend Gewichte gestemmt, bevor sie fünf Kilometer auf dem Laufband rannte, ins Nichts hinein, mit geschlossenen Augen der Musik aus dem Walkman lauschend. Manchmal kriegte man so einen Fimmel. Ina lehnte sich gegen den Wagen und murmelte: »Ich kann nicht mehr.«
    »Ja«, sagte Kissel und blinzelte in die Wolken. »Wir kriegen anderes Wetter. Das wird deine Freundin wissen, wie heißt die noch? Frau Mewes, die scharfe Rote?«
    »Nicole«, sagte sie. »Ja, die weiß das.« Sie sah ihn an. Obwohl sie sich nicht abgesprochen hatten, war Kissel bei Belloff eher der good cop gewesen, während sie selber, was sie bei Unsympathen am liebsten tat, das Bulettenschwein gab, als das man sie in unzähligen Vernehmungen schon bezeichnet hatte. Früher hatte sie gedacht, mit Kissel ginge das nicht, weil sie ihn immer für einen bad

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