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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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fängst du an zu flennen?«
    »Nein, seh ich so aus?«
    »Ja, genau so. Aber probier mal die Frikadellen, die sind nett.«
    Sie wehrte seinen Arm ab und sah Dorian noch immer über seinem Salatteller sitzen. »Der hat auch keinen Hunger«, murmelte sie. Als sie dem Blick der Wirtin begegnete, wußte sie nicht, ob Stumpfsinn darin lag oder Verachtung. Sie räusperte sich, wollte sie nach Dorian fragen, was sie seit Tagen schon vorhatte, und fragte: »Was ist denn in dem Salat drin?«
    »Tja.« Frau Hufnagel hob die Schultern. »Salat halt. Was soll drin sein?«
    »Na ja, ich meine –« Was meinte sie denn? Es interessierte sie doch überhaupt nicht. »Also, ist das gemischter Salat?«
    »Gemischter, ja. Grünzeug und Tomaten.«
    »Ah so«, sagte Ina.
    »Wollen Sie welchen?«
    »Später vielleicht.« Sie stützte beide Ellbogen auf den Tresen. »Dienstag, der achte. Dorian war nicht hier, stimmt’s?«
    Die Wirtin seufzte, was man nicht hörte, aber doch sah. Behutsam, als sei es bis zum Rand gefüllt, schob sie ein leeres Glas beiseite. »Frau Henkel, ich hatte es Ihnen gesagt, das ändert sich auch nicht, wenn Sie mich das immer wieder fragen. Und diesem Herrn da« – sie deutete auf Kissel – »hab ich es auch gesagt.«
    »Was?«
    Die Frau sah sie ruhig an. »Sind Sie so beschränkt oder ist das Taktik?«
    »Hören Sie, es geht nur darum, daß man öfter mal was verwechselt. Geht uns allen so.« Ina sah sich um und rückte näher an den Tresen heran, weil sie fürchtete, daß Dorian plötzlich neben ihr stand. »Sie sagen, Sie erinnern sich an diesen Tag, weil da Ihre Spülmaschine kaputt war und Dorian –«
    »Nein«, unterbrach sie die Wirtin. »Das sagte ich nicht. Der Bierhahn war kaputt.«
    »Schön«, sagte Ina und wußte nicht weiter.
    »Ich habe keine Spülmaschine.« Die Wirtin schüttelte eine filterlose Zigarette aus einer Packung, die sie dann achtlos auf den Boden warf. Kissel gab ihr kein Feuer. »Abends, wenn es voll ist«, sagte sie, »wäre ich mir wohl gar nicht so sicher gewesen, aber an diesen Tag erinnere ich mich nun mal.«
    Kissel mischte sich ein und faselte ins Blaue. »Sie wissen, was auf falsche Aussage steht?«
    Frau Hufnagel nahm einen tiefen Zug. »Nein, weiß ich nicht.« Eine dünne Rauchfahne begleitete ihre Worte, als sie fragte: »Waren die Frikadellen okay?«
    Er nickte.
    Sie schien ein wenig zu lächeln, als sie mit einer Hand seinen leeren Teller nahm. In der anderen hielt sie die Zigarette.
    »Doch, ja«, murmelte Kissel. Er sah aus, als hätte Frau Hufnagels Lächeln, diese Andeutung davon, ihn überwältigt. »Die waren ganz gut, hm. Auch der Ketchup.« Er wartete, bis sie den Teller neben das leere Glas geschoben hatte, dann langte er über die Theke und packte ihr Handgelenk. Sie ließ es geschehen.
    »Ihr Herz klopft.« Er streichelte sie ein wenig mit dem Daumen.
    Frau Hufnagel sah ihn nicht an. »Das wird auch bei Ihnen so sein.«
    »Würden Sie für einen Mann lügen?«
    »Das kommt auf den Mann an.«
    »Ja, ich dachte mir, daß Sie so etwas sagen.« Er verstärkte den Druck. »Dorian ist jung.«
    »Ach so«, sagte sie nur. Reglos und mit apathischem Blick stand sie wie ein Mensch in einer Supermarktschlange, der einsieht, daß es keinen Zweck hat, zu drängeln und zu schubsen und zu schreien. Jemand lachte, jemand klatschte, und einer rief: »Die Billa! Jetzt guck.«
    »Schlafen Sie mit ihm?« fragte Kissel.
    »Nein.«
    Lächelnd sah er zu ihr auf und ließ erst los, als er Dorian Kammer auf sich zukommen sah, der seinen unberührten Salatteller wie eine Trophäe trug. Er ging um den Tresen herum, stieß die Wirtin zur Seite und sagte: »Das ist Dreck. Friß das selbst.«
    Die Hufnagel guckte auf den Teller wie auf einen bizarren Gegenstand, den sie sekundenlang nicht erkannte. Asche tropfte darauf. »Dann nimm Käsetoast«, schlug sie vor. »Oder Schinkenbrötchen.«
    »Noch mehr Dreck?« Dorian zog mit einem Finger eine Linie durch die Luft. »Die hier fressen ja alles, was du so zusammenschmierst. Gäste, die gute Lokale gewöhnt sind, würden kotzen.«
    Frau Hufnagel sagte nichts. Sie nahm das schmutzige Geschirr und trug es in die Küche, während ein alter Mann anfing zu maulen.
    »Ihnen«, sagte er und deutete anklagend auf Dorian, »gehört Lokalverbot.«
    »Mir?« Steif lehnte Dorian sich gegen den Tresen und verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen. »Friedhofsgemüse hat hier bald nichts mehr zu suchen, wie alt sind Sie

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