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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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erst essen«, sagte Kissel und setzte sich an den Tresen. In seiner Wohnung hatten sie ihn nicht angetroffen, und Ina hatte diesen kleinen Aufschub begrüßt. Doch hier saß er nun, was vorauszusehen war, saß er wie einer, der keine Ahnung hatte, was er sonst machen sollte.
    Kissel winkte der Wirtin. »Sind die Frikadellen so vielversprechend wie Sie?«
    »Die sind vom Mittag«, sagte Frau Hufnagel lahm. Sie trug wieder etwas Sackförmiges, das allenfalls zum Hausputz taugte, und sie schien Angst zu haben vor Friseuren.
    »Sehr gut«, sagte Kissel. »Dann möchte ich zwei mit Ketchup.«
    »Mit Senf«, schlug sie vor.
    »Oh, ich bin ein Tomatentyp.« Er schnippte mit den Fingern. »Frisch und rot vor Energie. Senftypen sind Kleinbürger, gelblich.«
    »Also mit Senf«, sagte sie.
    »Ketchup. Und zum Nachtisch ein Lächeln von Ihnen.«
    »Ja«, sagte sie nur, bevor sie verschwand.
    Ina prustete los. »Seid wann stehst du auf Schraubendampfer?«
    »Och, ich steh auf viele.« Kissel sah der Wirtin hinterher. »Diese geht ja nun zum Lachen in den Keller. Aber deine scharfe Freundin von der Schupo macht mir das Herz so schwer, Frau Nicole Mewes. Zum Anbeißen. Ist die eigentlich liiert?«
    »Davon kannst du ausgehen.«
    »Das ist doch immer dasselbe mit euch.« Er legte ein Feuerzeug vor sich hin, was er in jeder Kneipe tat, um Frauen Feuer zu geben. Gewöhnlich vergaß er es aber. »Wärest du woanders, Ina-Süße, würde ich dich auch äußerst interessant finden, aber mein Prinzip ist es, mich unmittelbaren Kolleginnen nicht zu nähern. Davon abgesehen, solltest du etwas zunehmen.« Er rieb sich die Nase, als die Frikadellen vor ihm standen.
    »Kannst mir ja abgeben, was du zuviel hast«, sagte sie.
    »Ich bin nicht dick, ich bin muskulös.«
    »Aber nicht überall.« Sie unterdrückte ein Gähnen und hörte der Musik zu, einer Schnulze vom Haben, Verlieren und Wiederfinden, und die krallenartigen Finger des Belloff schlugen den Takt dazu. »Man hat ihr die Brustwarzen verbrannt – dann hat sie auch bloß noch geschrien und gebettelt – Mama halt, was sie so rufen – dann fährt sie einfach auf mich los.«
    Jahre, Lebensjahre, kaputte Zeit. Komm doch raus. Ich hab mir vorgestellt, wie das wird, wenn ich dich endlich habe, ich werd dich siezen müssen. Mit dem einfachsten Satz wollte ich anfangen: Haben Sie es getan? Bullensatz, klar, doch war ich mir so sicher, die Antwort in deinen Augen lesen zu können. Jetzt nicht mehr, jetzt glaube ich, daß da nur etwas Dunkles sein wird, so wie bei einer Vergiftung, einer Blutvergiftung, weil die Wunde, die man nicht behandelt, schwarz wird mit der Zeit. Stirbt man auch dran irgendwann, hält man auf Dauer nicht aus. Sie lehnte sich zurück und wünschte sich etwas Magisches, das alle Gedanken vertrieb. Pillen konnten das nicht, das hatte sie schon ausprobiert, Pillen trommelten nur in der Herzgegend herum wie die Hände dieser Frau Hufnagel auf dem Tresen. Nervös ließ die Wirtin ihre Finger auf dem Tresen tanzen; Polizei in der Hütte, das mochten sie nicht.
    Ina rührte in ihrem Cappuccino, bis von der Sahne nichts mehr zu sehen war. Nichts konnte die Gedanken vertreiben, bis auf eine Liebesnacht vielleicht – nein, was für ein aufgeblasenes Wort, ein Liebesviertelstündchen, falls sie nicht zu müde war – aber dann kehrten sie zurück, summend und nicht totzukriegen wie boshafte Fliegen. Glück, sagte diese Frau aus Katjas früherem Leben, Glück ist ihr Zauberwort gewesen, »Sie wollte Glück in den Körper pumpen, mit Musik und Sex, mit dem Anblick der Natur und dem Lachen ihrer Kinder.«
    Doch dann raste die Achterbahn runter und kam nicht mehr hoch.
    Eigentlich will ich dir gar nicht mehr im Präsidium begegnen, lieber im Park, bei den Enten am Weiher. Sind doch auch Vögel, die Enten? Ich kenn mich da nicht so aus. Sicher wirst du frieren, es ist so kalt in deinem Leben, doch vielleicht haben wir ein bißchen Sonne – im Park auf einer Bank, und wir füttern die fetten Enten, verdammt.
    »Du baust ab«, rief Kissel, »ich hab dich gefragt –«
    »Laß mich in Ruhe, Mensch.« Sie versuchte sich auf das Stimmengewirr zu konzentrieren, auf Samstaglotto, Eintracht Frankfurt und Eheknatsch. Erzählt mir was. Erzählt mir vom Beinahe-Sechser, als jede Zahl haarscharf daneben lag, von zittrigen Torhütern und von den klammen Socken fußwäschefauler Ehemänner.
    Kissel hörte auf zu kauen und starrte sie an. Dann schluckte er, hustete und zischte: »Was ist los,

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