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Stets zu Diensten

Stets zu Diensten

Titel: Stets zu Diensten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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die sich nur sehr widerwillig herabläßt, mit dem niederen Volk zu sprechen.
    »Du magst ja deine eigene Meinung haben«, sagte sie hart. »Für mich ist er ein Mistvieh.«
    Lord Ickenham hatte den Eindruck, schlecht gehört zu haben. Er wußte zwar, daß Verliebte sich die unmöglichsten Kosenamen gaben, aber daß »Mistvieh« auch dazu zählte, war ihm neu.
    »Ein Mistvieh?«
    »Ja.«
    »Warum nennst du ihn so?«
    »Für das, was er getan hat.«
    »Was hat er denn getan?«
    »Oder, besser gesagt, was er nicht getan hat.«
    »Du sprichst in Rätseln. Könntest du dich nicht etwas klarer ausdrücken?«
    »Na schön. Ich drücke mich klarer aus. Er hat mich sitzen lassen.«
    »Ich verstehe immer noch nichts.«
    »Na gut. Wenn du die ganze Geschichte hören willst, dann bitte. Ich rief ihn an, um ihm zu sagen, daß ich nach London fahren würde, um ihn zu heiraten. Und er ist nicht einmal beim Standesamt erschienen.«
    »Was?«
    »Hatte wahrscheinlich die Hose voll. Ich hätte es mir ja denken können, nach der Art, wie er ›doch, schon‹ sagte, als ich ihn fragte, ob er sich nicht freue. Ich wartete stundenlang, aber er erschien nie. Dabei hatte er mir noch erklärt, daß er mich liebte.«
    Es kam selten vor, daß Lord Ickenham verwirrt war, aber augenblicklich war er nicht in der Lage, diesem Gespräch geistig zu folgen.
    »Er erschien nie? Sprechen wir eigentlich von demselben Mann? Der junge Mann, den ich meine, ist ein riesengroßer, junger Pfaffe namens Bill Bailey, in dessen Gesellschaft ich gestern eine Dreiviertelstunde am Standesamt verbrachte. Ich sollte sein Trauzeuge sein, um die Angelegenheit etwas zu beleben.«
    Myra starrte ihn an.
    »Bist du wahnsinnig?«
    »Manchmal hat man mich dessen beschuldigt, aber es stimmt nicht. Reine Übertreibung. Warum fragst du?«
    »Er kann einfach nicht beim Standesamt gewesen sein. Ich hätte ihn doch sehen müssen.«
    »Er ist schwer zu übersehen, daß muß ich zugeben. Er springt einem richtig ins Auge. Aber ich versichere dir …«
    »Beim Standesamt in Wilton Street?«
    »Sag das noch einmal.«
    »Wilton Street. Warum?«
    »Ich wollte eine Probe machen. Ich glaube, ich habe jetzt des Rätsels Lösung. Wenn jemand am Telefon – insbesondere, wenn er aufgeregt ist – jemand ›Wilton‹ sagen hört, dann kann er leicht ›Milton‹ verstehen. Ein akustischer Trick. Es war beim Standesamt in Milton Street, wo Bill, mein Neffe Pongo und ich Wache hielten. Wir haben dich alle vermißt.«
    Aus Myras Gesicht wich jegliche Farbe. Ihre Augen, die sich in jene von Lord Ickenham versenkten, wirkten beinahe so eindrucksvoll wie die des Duke.
    »Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Ist es aber. Wir haben alle dort gewartet.«
    »Du liebe Güte! Da bin ich ja beinahe noch etwas entgangen.«
    Lord Ickenham fand diese Einstellung nicht richtig.
    »Da bin ich anderer Meinung. Meine Bekanntschaft mit Bill Bailey war zwar nur sehr kurz, wie ich dir schon sagte; aber ich habe einen sehr günstigen Eindruck von ihm gewonnen. Eine sehr ehrliche Seele. Ich glaube, die seelischen Nöte von Bottleton East liegen bei einem solchen Geistlichen in den besten Händen. Sag mir nicht, daß du ihn nicht mehr magst?«
    »Natürlich mag ich ihn noch.«
    »Warum sagst du dann, daß du beinahe noch etwas entgangen bist?«
    »Weil ich, in der Annahme, er hätte mich sitzen lassen, so wütend hierher zurückgekommen bin, daß ich beinahe Archie Gilpins Heiratsantrag angenommen hätte.«
    Lord Ickenham blickte ernst. Diese Künstler, dachte er, legen ein flottes Tempo an den Tag.
    »Du hast es aber nicht getan?«
    »Nein.«
    »Gut. Dann tu’ es auch nicht. Es würde Bills Besuch verderben. Und ich möchte, daß er sich auf Blandings Castle wohl fühlt. Aber das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt, oder? Ich muß es ganz vergessen haben. Ich habe Bill mitgebracht. Incognito, natürlich. Ich habe gedacht, du würdest ihn vielleicht gerne sehen. Ich versuche ja immer, Heiterkeit und Licht zu verbreiten; obwohl sich schon mehrere Leute darüber beschwert haben.«

4
    Lord Ickenham hatte die Angewohnheit, wenn immer er in einem Landhaus zu Besuch weilte, sich sofort nach dem Frühstück in seinen Liegestuhl zu verkriechen, in dem er dann ungestört seinen Gedanken nachhängen konnte. Genauso wie Abou ben Adhem, ein Mann, der seine Mitmenschen liebte, machte auch er es sich zum unumstößlichen Gesetz, ihnen nach dem Frühstück aus dem Weg zu gehen, denn diese köstlichste Stunde des Tages wollte er

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