Stets zu Diensten
ungestört und meditierend verbringen. Wer auch immer sich an der Spritzigkeit seines Gespräches erfreuen wollte, mußte damit bis zur Mittagszeit warten, in der er für jeden zugänglich war.
Auf dem Rasen von Blandings Castle hatte er einen solchen Liegestuhl entdeckt, in den er sich am Morgen nach seiner Ankunft, mit sich und der Welt versöhnt, genüßlich zurücklehnte. Es war ein schöner und warmer Tag. Vom Westen her wehte eine leichte Brise. Die Vögel zwitscherten, die Bienen summten, die Fliegen gingen ihren Beschäftigungen nach. Im Stallhof spielte hinter einem Gebüsch verborgen jemand Mundharmonika – vermutlich Voules, der Chauffeur. Aus einem Fenster des Hauses drang das leise Tap-tap-tap einer Schreibmaschine und verriet, daß Lavender Briggs, die Arbeitssklavin, ihren Sekretärinnen-Pflichten nachkam. Froh und entspannt begann Lord Ickenham zu träumen.
Er hatte augenblicklich sehr viele Dinge im Kopf. Als Spezialist für die Verbreitung von Heiterkeit und Licht wurde er oft vor sehr schwer lösbare Probleme gestellt, aber nur selten waren sie so zahlreich wie diesmal. Während er über Lady Constance, über Lavender Briggs, über den Duke of Dunstable und die Ministranten nachdachte, wurde ihm klar, daß viel Arbeit und äußerste Konzentration und Erfindungsgabe zur Bewältigung dieser Aufgaben erforderlich sein würden, wie er es bereits Pongo angekündigt hatte.
Er war froh, daß er sich nicht mehr über Bill Bailey Sorgen machen mußte, denn dieser hatte sich inzwischen sehr gut in den kleinen Kreis von Blandings eingefunden. Zugegebenerweise hatte Lady Constance ihn mit einem leichten Anflug von Frost in der Stimme begrüßt, aber das war ja schließlich nicht anders zu erwarten gewesen. Er hatte sich gefreut, daß die anderen ihn alle herzlich aufgenommen hatten, insbesondere Lord Emsworth, zu dem er anscheinend, anläßlich seines gestrigen Besuches in der Residenz der »Kaiserin«, genau die richtigen Worte gesagt hatte. Lord Emsworths Zustimmung bedeutete zwar nicht sehr viel auf Blandings Castle, aber sie war zumindest etwas wert.
Als er gerade über Lord Emsworth nachdachte, sah er diesen plötzlich über den Rasen gehen und setzte sich überrascht auf. Es war nicht die Anwesenheit des anderen, die ihn in Erstaunen versetzte, denn wer könnte dem Besitzer eines Landhauses das Recht absprechen, auf seinem eigenen Grund und Boden spazierenzugehen, sondern es war die Tatsache, daß er naß war; wobei das Wort »naß« eigentlich gar nicht zutraf. Er triefte von Kopf bis Fuß und sprühte wie ein Springbrunnen in Versailles.
Lord Ickenham war verwirrt. Er wußte, daß sein Gastgeber manchmal ein Bad im See nahm, aber er hatte nicht angenommen, daß er dies unmittelbar nach dem Frühstück und mit den Kleidern auf dem Leib zu tun pflegte. Er vergaß sein Prinzip, sich durch nichts auf der Welt vor dem Mittags-Apéritif aus seinem Liegestuhl hochschrecken zu lassen, und sprang auf, um ihm zu folgen.
Lord Emsworth ging ziemlich schnellen Schrittes und verschwand im Haus, bevor Ickenham ihn erreichen konnte. Letzterer überlegte richtig, daß ein nasser Mann vermutlich in sein Schlafzimmer gehen würde. Er folgte ihm dorthin. Er fand ihn nackt vor und gerade damit beschäftigt, sich mit einem Badetuch abzutrocknen. Sofort stellte er ihm die Frage, die in einer derartigen Situation jeder gestellt hätte: »Mein lieber Freund, was ist denn passiert? Sind Sie in den See gefallen?«
Lord Emsworth ließ das Badetuch fallen und schnappte ein geflicktes Hemd.
»Eh? Oh, hallo, Ickenham. Sagten Sie eben, Sie seien in den See gefallen?«
»Ich fragte Sie danach.«
»Ich? Oh, nein.«
»Sie können mir doch nicht erzählen, daß Sie nur in Schweiß gebadet waren, als ich Sie auf dem Rasen sah.«
»Eh? Nein, ich schwitze kaum. Aber ich bin nicht in den See hineingefallen, sondern hineingesprungen.«
»Mit den Kleidern am Leib?«
»Ja, ich hatte meine Kleider an.«
»Und gab es irgend einen besonderen Grund für Ihr Hineinspringen? Oder war es nur eine momentane Laune?«
»Ich hatte meine Brille verloren.«
»Und Sie dachten, sie wäre vielleicht im See?«
Lord Emsworth erkannte, daß er sich nicht sehr klar ausgedrückt hatte. Ein paar Sekunden beschäftigte er sich mit seiner Hose. Nachdem er schließlich seine langen Beine hineinmanövriert hatte, erklärte er:
»Nein, das war nicht die Ursache. Aber ich habe Schwierigkeiten, deutlich zu sehen, wenn ich meine Brille nicht bei mir
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