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Stets zu Diensten

Stets zu Diensten

Titel: Stets zu Diensten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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tatsächlichen Worte waren, daß Lord Emsworth sein Gastgeber sei und ihn sehr freundlich behandelte; und daß er ihn sehr mochte und sich selbst verdammen müßte, wenn er dieses Schwein stehlen wollte und ihn dabei beinahe an den Rand des Todes brächte. Außerdem, was würde sein Bischof sagen, wenn er von dieser Angelegenheit etwas erführe?«
    Lord Ickenham nickte zustimmend.
    »Ich verstehe, was er meinte. Diese Hilfsgeistlichen müssen sehr vorsichtig sein. Ein falscher Schritt – wie zum Beispiel Schweinestehlen – und schon ist jegliche Chance vorbei, jemals zum Prinzen der Kirche erkoren zu werden. Und sie …?«
    »Hat ihm gesagt, er soll es sich überlegen …, diese …«
    Lord Ickenham erhob eine Hand.
    »Ich weiß, welches Wort dir auf den Lippen liegt, mein Kind, aber sag’ es nicht. Wir wollen das Gespräch auf möglichst hoher Ebene führen. Ich gebe dir Recht, daß diese Situation viel Nachdenken erfordert. Ich frage mich, ob es für Bill nicht das Klügste wäre, einfach wie ein Araber sein Zelt zusammenzufalten und sich davonzuschleichen.«
    »Du meinst – das Schloß verlassen? Mich verlassen?«
    »Das wäre der vernünftigste Schritt.«
    »Ich will nicht, daß er sich davonschleicht.«
    »Besser ist es, daß er sich davonschleicht, als daß er ein Schwein stiehlt.«
    »Ohne ihn würde ich hier umkommen. Kannst du dir denn nichts Besseres einfallen lassen?«
    »Wir müssen auf jeden Fall Zeit gewinnen.«
    »Wie sollen wir das tun? Diese …«
    »Bitte!«
    »Diese … Frau … sagte, sie will bis morgen eine Antwort haben.«
    »So bald? Dann wird Bill ihr eben sagen müssen, daß er einige Tage Zeit braucht, um sich mit dieser nervenaufreibenden Angelegenheit eingehend zu befassen.«
    »Was soll das denn für einen Sinn haben?«
    »Wir gewinnen Zeit.«
    »Nur zwei Tage.«
    »Aber zwei Tage, in denen das Ickenham’sche Gehirn auf Hochtouren läuft; und es gibt kaum ein Problem, daß in einem solchen Fall nicht gelöst werden kann.«
    »Und wenn die zwei Tage vorüber sind und dir immer noch nichts eingefallen ist?«
    »Dann allerdings«, sagte Lord Ickenham, »wird die Situation etwas heikel.«

6
    Eine der sehr zahlreichen, bemerkenswerten Feststellungen des Dichters John Dryden (1631 – 1700) lautete, daß alle großen Dinge sich aus kleinen entwickeln; und jeder denkende Mensch muß zugeben, daß er mit dieser Behauptung den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    Wenn nicht eine Fliege in sein Schlafzimmer eingedrungen und mit der für Fliegen so typischen lästigen Art auf seiner Nase herumspaziert wäre, dann wäre Lord Emsworth vermutlich nicht am nächsten Morgen um zwanzig Minuten vor fünf Uhr aufgewacht, denn er erfreute sich gewöhnlich eines sehr gesunden Schlafes und genoß diesen meistens acht Stunden lang. Und wenn er nicht aufgewacht wäre, oder noch einmal eingeschlafen, dann wäre er nicht im Bett gelegen und hätte über die Ministranten nachgedacht. Und wenn er nicht über die Ministranten nachgedacht hätte, dann wäre ihm Lord Ickenhams Rat vom Vortag nicht eingefallen. Obwohl ihn sein Gedächtnis häufig im Stich ließ, in diesem Fall fiel ihm alles wieder ein.
    In früher Morgenstunde an den See hinunterschleichen und die Zeltschnüre durchschneiden, so hatte Ickenham sich ausgedrückt. Je mehr er über diesen Vorschlag nachdachte, desto mehr wurde er von dessen Richtigkeit überzeugt. Kerle wie Ickenham, so sagte er sich, vorsichtige und konservative Weltmänner, treffen keine übereilten Entscheidungen; sie überlegen die Dinge sehr sorgfältig, bevor sie einen Entschluß fassen; und wenn sie jemand einen Rat für eine bestimmte Handlungsweise erteilen, dann kann man von der Richtigkeit diese Rates überzeugt sein.
    Eine frühere Morgenstunde als diese gab es nicht. Außerdem fiel ihm ein, daß in seiner Bibliothek ein Brieföffner lag – einer jener Sorte, mit dem man in einem spannenden Kriminalroman einen Baronet erstochen hätte; und nachdem er sich vor zwei Tagen damit in den Finger geschnitten hatte, müßte dieses Werkzeug seinen Zweck erfüllen. Kurzum, die gesamten Bedingungen hätten nicht besser sein können.
    Der einzige Gedanke, der ihn noch vor der Tat zurückschrecken ließ, war der an seine Schwester Constance. Niemand wußte besser als er, was für ein Benehmen sie von einem Bruder erwartete; wenn aber das unbarmherzige Tageslicht jemals sein geplantes Verbrechen aufdecken sollte, dann würde sie die Fassung verlieren. Er schätzte, daß zehntausend

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