Stets zu Diensten
viel!«
Lord Ickenham empfand diesen Vorwurf als berechtigt. Er entschuldigte sich.
»Es tut mir leid. Eine dumme Gewohnheit von mir, die ich mir gerne abgewöhnen möchte. Was wolltest du eben über die Briggs sagen?«
»Sie ist eine abscheuliche Erpresserin!«
»Eine WAS? Das erstaunt mich. Wer – oder besser gesagt – wen erpreßt sie denn?«
»Bill, den armen Engel. Sie hat gesagt, er müsse Lord Emsworths Schwein stehlen.«
Lord Ickenham in Schrecken zu versetzen, war schwierig. Aber mit diesen Worten gelang es. Das ungeschriebene Gesetz, nach dem er als vorsichtiger Mann lebte, besagte, daß man jederzeit auf alles gefaßt sein müsse, insbesondere auf Blandings Castle. Aber darauf war er doch nicht gefaßt gewesen. Sein kleiner Schnurrbart, der keineswegs so buschig war wie der des Duke und auch nicht hochschnellte, wie der des Duke es bei dieser Gelegenheit zweifellos getan hätte, bewegte sich trotzdem merklich. Er starrte seine junge Freundin völlig verdutzt an.
»Was willst du um Gottes Willen damit sagen?«
»Ich habe es dir doch eben gesagt. Sie will, daß Bill Lord Emsworths Schwein stehlen soll. Ich weiß nicht, wer dahinter steckt, aber irgend jemand will es haben; und meinen armen Bill hat sie als Mitarbeiter auserkoren.«
Lord Ickenham stieß ein leises Pfeifen aus. Auf Blandings Castle gab es wirklich alles außer Langeweile. Am Anfang war ihm diese Geschichte höchst unglaubwürdig erschienen, aber jetzt verstand er die Hintergründe. Leute, die Leute anstellen, um ein Schwein zu stehlen, wissen, daß der Angestellte seine Aufgabe erfüllen kann; und der oberste Boß bei diesem Geschäft, wer immer er auch sein sollte, würde zweifellos Lavender Briggs entsprechend entlohnen. Mit diesem Betrag könnte sie dann ihr Schreibbüro eröffnen. All das war klar und verständlich, und man mußte die Begeisterung der Briggs verstehen. Trotzdem blieb die Frage offen, warum sie sich ausgerechnet den Reverend Cuthbert Bailey als Mitarbeiter auserkoren hatte. Warum nur, so überlegte Lord Ickenham, denn die beiden kannten sich ja kaum.
»Warum nur Bill?« fragte er laut.
»Du meinst – warum gerade Bill?«
»Ja. Warum fiel die Wahl auf ihn?«
»Weil sie alles über ihn weiß. Soll ich dir die ganze Geschichte erzählen?«
»Das wäre sehr sinnvoll.«
Nachdem sie ihre Erzählung mit der Einleitung begann, daß Mädchen wie Lavender Briggs die Haut abgezogen werden sollte und man sie anschließend in siedendes Öl tauchen müßte, denn erst dann würde man in einer besseren Welt leben, kam sie zum Kernpunkt der Sache.
»Bill war gerade auf einem kleinen Spaziergang, als sie daherkam.
Er sagte, ›Oh, hallo, schöner Morgen, nicht wahr?‹
Und sie sagte darauf, ›sehr richtig‹?«
»Nein, sie sagte, ›ich möchte gerne ein paar Worte mit Ihnen reden, Mr. Bailey.‹«
»Mr. BAILEY? Sie wußte, wer er war?«
»Sie kannte ihn von der ersten Sekunde an, als er hier auftauchte. Als sie in London lebte, hatte sie sich anscheinend ziemlich viel mit guten Werken für die Armen beschäftigt; sie hat ihn natürlich sofort wiedererkannt, als er in Blandings Castle auftauchte. Bill ist ein Typ, an dem man sich sofort erinnert.«
Lord Ickenham stimmte zu, daß seine Erscheinung sich tatsächlich der Netzhaut des menschlichen Auges einprägte. Er blickte sehr ernst drein. Zu Beginn hatte er gedacht, daß es sich um irgendein typisch weibliches, vielleicht sogar eingebildetes Problem handelte; doch jetzt konnte er dessen tiefere Bedeutung ermessen. Er erkannte, daß Lavender Briggs sofort Lady Constance ins Vertrauen ziehen würde, falls man ihren Auftrag nicht erfüllen wollte – und dies würde schlimmste Folgen nach sich ziehen. Die Hölle ist ein Paradies im Vergleich zu einer zornigen Frau, die entdeckt, daß man sie in ihrem eigenen Heim mit einem Mann zum Narren gehalten hat, den sie seit Wochen zutiefst verabscheut. Lady Constance würde zweifellos Rache nehmen. Sie würde gekränkt und böse sein und Bills Aufenthalt auf Blandings Castle wesentlich verkürzen. Innerhalb von wenigen Minuten würde der unglückliche Seelenhüter an seinen Ohren aus dem Paradies hinausgezogen werden – ähnlich wie Lucifer nach dem Sündenfall.
»Und dann?«
»Sie sagte, er müsse einfach das Schwein stehlen.«
»Und was hat er gesagt?«
»Sie soll zum Teufel gehen.«
»Merkwürdiger Rat von einem Pfarrer.«
»Ich gebe dir ja auch nur den ungefähren Inhalt wieder.«
»Richtig.«
»Seine
Weitere Kostenlose Bücher