Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
der Operation zwei Wochen im Krankenhaus und bemühte sich dann, wieder zu Kräften zu kommen. »Ich weiß noch, als ich wieder nach Hause kam, habe ich immer da drin gesessen«, erzählte er mir und zeigte auf einen Schaukelstuhl im Wohnzimmer. »Ich war zu schwach zum Laufen. Ich brauchte eine Woche, bis ich einmal um den Block gehen konnte. Dann zwang ich mich, bis in den Park ein paar Blocks weiter zu gehen, dann noch weiter, und nach sechs Monaten war ich fast wieder der Alte.«
Leider hatte der Krebs bereits Metastasen gebildet; während der Operation fanden die Ärzte drei davon in der Leber. Hätten sie neun Monate früher operieren können, dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen, aber das ließ sich nun nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Jobs begann mit einer Chemotherapie, die seine Ernährungsprobleme noch verschärfte.
Die Stanford-Ansprache
Jobs hielt seinen anhaltenden Kampf gegen den Krebs geheim – er behauptete überall, geheilt zu sein –, genauso wie er seine Diagnose im Oktober 2003 geheim gehalten hatte. Diese Verschwiegenheit kam nicht überraschend, sie gehörte vielmehr zu seinem Wesen. Überraschender kam da schon seine Entscheidung, sich öffentlich auf sehr persönliche Weise zu seinem Gesundheitszustand zu äußern. Obwohl er selten Reden hielt, abgesehen von seinen inszenierten Produkteinführungen, nahm er die Einladung der Stanford University an, im Juni 2005 die Eröffnungsansprache für das akademische Jahr (»Commencement Address«) zu halten. Die Operation und sein 50. Geburtstag hatten ihn nachdenklich gestimmt.
Jobs wandte sich an den brillanten Drehbuchautor Aaron Sorkin, Schöpfer des Kinofilms Eine Frage der Ehre ( A Few Good Men ) oder auch der Fernsehserie The West Wing, damit er ihm beim Formulieren der Rede helfe. Sorkin sagte zu und Jobs schickte ihm einige Stichpunkte. »Das war im Februar, und weil keine Antwort kam, habe ich im April noch einmal angerufen, und er sagte ›ja, klar‹, und ich habe ihm noch ein paar Gedanken geschickt«, erzählte Jobs. »Dann rief ich ihn wieder an, und er sagte weiter ›ja, klar‹, aber auf einmal war es Juni, und er hat mir immer noch nichts geschickt.«
Jobs bekam Panik. Seine Präsentationen verfasste er immer selbst, er hatte aber noch nie eine akademische Rede gehalten. Schließlich setzte er sich eines Abends hin und schrieb sie einfach, nur mit der Hilfe seiner Frau. Das Ergebnis war eine sehr persönliche und einfache Ansprache, genauso schmucklos und individuell wie ein perfektes Steve-Jobs-Produkt.
Alexander Haley hat einmal gesagt, der beste Anfangssatz einer Rede sei immer: »Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.« Niemand mag Belehrungen, aber eine Geschichte hört jeder gern, und das war Steve Jobs’ Ansatz. »Heute möchte ich Ihnen drei Geschichten aus meinem Leben erzählen«, begann er. »Das ist schon alles, keine große Sache, nur drei Geschichten.«
Die erste schilderte, wie er sein Studium am Reed College abgebrochen hatte. »Dadurch konnte ich die Pflichtseminare sausen lassen, die mich nicht interessierten, und stattdessen in andere Seminare gehen, die ich viel spannender fand.« Die zweite beschrieb, wie es ihm am Ende zum Vorteil geraten war, dass Apple ihn feuerte. »Der Erfolgsdruck wurde wieder von der Leichtigkeit ersetzt, ein Anfänger zu sein, der noch nicht alles wissen muss.« Die Studierenden hörten ungewöhnlich aufmerksam zu, obwohl über Jobs ein Flugzeug kreiste, das ein Banner mit der Aufforderung »E-Müll recyceln!« flattern ließ. Die dritte Geschichte nahm das Publikum dann völlig gefangen. Jobs erzählte von seiner Krebsdiagnose und seinem veränderten Bewusstsein.
Der Gedanke, dass ich bald tot sein werde, ist die wichtigste Entscheidungshilfe für die großen Fragen des Lebens. Weil fast alles – alle äußeren Erwartungen, aller Stolz, alle Versagensangst – im Angesicht des Todes bedeutungslos wird, bleibt nur das wirklich Bedeutsame übrig. Sich vor Augen zu halten, dass man sterben wird, ist die beste Methode, die ich kenne, um nicht in die Falle zu tappen, sich selbst vorzumachen, man habe etwas zu verlieren. Wir alle sind bereits nackt. Es gibt keinen Grund, nicht seinem Herzen zu folgen.
Der durchdachte Minimalismus dieser Rede verlieh ihr Einfachheit, Reinheit und Charme. Man kann, von gedruckten Anthologien bis hin zu YouTube, alle verfügbaren Quellen durchsuchen, man findet keine bessere »Commencement Address«. Andere waren vielleicht
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