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Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)

Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)

Titel: Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Isaacson
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als Naturgewalt.« Nachdem Jobs verfügt hatte, die Erfrischungsgetränke im Bürokühlschrank durch organische Orangen- und Karottensäfte zu ersetzen, ließ jemand T-Shirts drucken, die auf der Vorderseite die Aufschrift »Reality Distortion Field« trugen und auf der Rückseite verkündeten: »It’s in the juice!« (»Es liegt am Saft!«).
    In gewisser Hinsicht umschrieb der Ausdruck »Reality Distortion Field« einfach, dass Jobs dazu neigte zu lügen. Aber die Psychologie dahinter war komplexer – er machte auch sich selbst etwas vor. Er behauptete Dinge – sei es nun ein Datum der Weltgeschichte oder lediglich, wer eine bestimmte Idee bei einem Meeting als Erster geäußert habe –, ohne sich um die Wahrheit zu kümmern. Er ignorierte die Realität bewusst, nicht nur gegenüber anderen, sondern auch vor sich selbst. »Er kann sich tatsächlich selbst belügen«, erklärte Bill Atkinson, »und dadurch auch andere Leute in seine Sichtweise hineinziehen, gerade weil er selbst völlig davon überzeugt ist und sie verinnerlicht hat.«
    Natürlich verzerren eine Menge Leute die Realität; Jobs aber tat es oft aus taktischen Gründen, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Wozniak, der von seiner Wesensart her genauso ehrlich war wie Jobs berechnend, staunte, wie effektiv diese Taktik war. »Seine Realitätsverzerrung führt zu völlig unrealistischen Voraussagen. Er behauptete zum Beispiel einmal, ich könne das Spiel Breakout in wenigen Tagen entwickeln. Man weiß, dass es nicht wahr sein kann, aber er macht es irgendwie wahr.«
    Wenn Mitarbeiter des Mac-Teams in das Reality Distortion Field gerieten, waren sie wie hypnotisiert. »Er erinnerte mich an Rasputin«, erzählte Debi Coleman. »Er starrte einen an, ohne zu blinzeln. Er hätte mir auch ein Glas mit einem lilafarbenen Erfrischungsgetränk servieren können, ich hätte es getrunken.« Aber genau wie Wozniak glaubte auch sie, dass einen das Feld mit neuen Fähigkeiten versah: Jobs inspirierte sein Team, mit einem Bruchteil der Ressourcen von IBM oder Xerox die Entwicklungsgeschichte des Computers zu verändern. »Es war eine sich selbst erfüllende Verzerrung«, meinte sie. »Wir schafften das Unmögliche, weil wir gar nicht realisierten, dass es unmöglich war.«
    Dieser Realitätsverzerrung lag Jobs’ tiefe und unerschütterliche Überzeugung zugrunde, dass die Regeln für ihn nicht galten. Er hatte durchaus Indizien dafür – in seiner Kindheit gelang es ihm oft, die Wirklichkeit nach seinen Wünschen zu verbiegen –, aber die tiefere Quelle lag in der angeborenen Widerspenstigkeit seines Charakters. Er glaubte, jemand Besonderer zu sein, ein Auserwählter und Erleuchteter. »Er denkt, einige Leute seien eben etwas Besonderes – Leute wie er selbst und Einstein und Gandhi und die Gurus, die er in Indien gesehen hat –, und er sei einer davon«, kommentierte Hertzfeld. »Chrisann hat er das so gesagt. Einmal hat er mir gegenüber sogar angedeutet, er halte sich für erleuchtet. Fast wie bei Nietzsche.« Jobs hat Nietzsche nie gelesen, teilte aber ganz natürlich dessen Vorstellungen vom Willen zur Macht und der Auserwähltheit des Übermenschen. In Also sprach Zarathustra heißt es, » seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene«. Wenn die Wirklichkeit nicht mit seinem Willen übereinstimmte, ignorierte er sie, wie er es bei der Geburt seiner Tochter Lisa getan hatte und es Jahre später wieder tat, als er von seiner Krebserkrankung erfuhr. Selbst in kleinen Alltagsdingen handelte er, als gälten die Regeln und Vorschriften nicht für ihn – er fuhr seinen Wagen ohne Nummernschilder und stellte ihn auf Behindertenparkplätzen ab.
    Ein weiterer entscheidender Aspekt in Jobs’ Weltsicht war sein Schwarz-Weiß-Denken. Andere Menschen waren entweder »erleuchtet« oder »Arschlöcher«, ihre Arbeit entweder »großartig« oder »totaler Mist«. Der Mac-Entwickler Bill Atkinson, der das Glück hatte, zu den Guten gerechnet zu werden, beschrieb, wie es war:
    Es war schwierig, für Steve zu arbeiten, weil er nur die Polarität zwischen Göttern und Idioten kannte. War man ein Gott, stellte er einen auf ein Podest und ließ einem alles durchgehen. Diejenigen von uns, die er für Götter hielt, wie mich zum Beispiel, wussten natürlich, dass wir in Wirklichkeit Sterbliche waren, die manchmal auch Fehler machten und furzten wie andere Menschen, und deshalb hatten wir ständig Angst, vom Podest wieder herabgestoßen zu werden.

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