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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Bevölkerung allzu sehr zu drangsalieren.
     Zudem setzen sie sich mit Regierungsstellen ins Einvernehmen. Der gemeine Bürger weiß selbst nicht mehrgenau, ob er es bei den Deutschen nun mit Besatzern oder mit ausländischen Hilfstruppen zu tun hat. Dieser Stieber ist ein
     geschickter Präfekt: Er vermeidet alles, was den Zorn unserer Leute reizen könnte. Er wirkt – wie man hört – sogar mäßigend
     auf die Militärs ein.«
    »Also war unser Toter wieder ein ganz normaler Pariser und kein Partisan mehr?«
    »Wahrscheinlich ebenso normal wie ich auch!« sagte Danquart und lächelte. Es war ein verkniffenes, ein sich mühsam abgezwungenes
     Lächeln. Lamartine nahm sich vor, den Neuen genauer unter die Lupe zu nehmen. Irgend etwas stimmte nicht mit Georges Danquart.
    Schneider erschien mit einem halben Blatt Papier, auf dem der Name und die Adresse des Toten aus dem Bois de Boulogne standen.
     Gaston Franc. Rue des Lions St. Paul 12.   Paris. Zugezogen Anfang März 1871, also erst vor wenigen Tagen – deshalb hatte Schneider ihn auch in seinem Register gefunden.
     »Wenn es sich um einen Lebenden gehandelt hätte, hätten wir Ihnen nicht geholfen«, erklärte Schneider und ging grußlos wieder
     an seine Arbeit.
     
    Lamartine und Danquart begaben sich sofort zu der angegebenen Adresse. Sie lag nur ein paar Straßen von der Place de la Bastille
     entfernt. In der Rue des Lions St. Paul 12 wohnte unter der von Gaston Franc angegebenen Adresse ein pensionierter Soldat
     namens Brunoy, der zwei Kammern an Handwerksburschen vermietete.
    Franc sei erst vor zehn Tagen bei ihm eingezogen, erklärte der Veteran den Polizisten. Er hätte eine Arbeit in der Stadt nachgewiesen,
     sonst wäre er nicht aufgenommen worden. Der Vermieter Brunoy gab nur stockend Auskunft, weil die kalte Witterung seinem zerschossenen
     Knie zu schaffen machte. Der alte Soldat erklärte, Franc sei Koch gewesen und habe in einem Restaurant namens »Le canard«
     in der Rue Mouffetard gearbeitet.
    Lamartine war zufrieden, er dankte dem Veteran und wollte sofort weiter zum »Le canard«.
    »Ich hätte eine Bitte«, wandte sich Danquart auf der Straße an Lamartine. »Bevor ich morgen die Sache der Kindsmörderin an
     die Staatsanwaltschaft weitergebe, möchte ich mir die Akte noch einmal anschauen   ... Und zu diesem Restaurant können Sie doch auch ohne mich gehen   ...«
    Lamartine fand Danquarts Anliegen etwas vermessen, immerhin war er sein Untergebener und neu in der Abteilung. Aber der Kriminalist
     sah keinen triftigen Grund, Danquart die Bitte abzuschlagen, und ließ ihn gehen.
     
    Das »Le canard« hatte – wie ein in ungeübter Handschrift geschriebenes Schild mitteilte – geschlossen, aber die Tür war offen,
     und Lamartine trat ein. Die Bediensteten saßen an einem großen Tisch und aßen einen dunklen Eintopf, der aussah, als wäre
     er aus Kohlen gemacht. Lamartine vermutete, daß es sich um ein Ragout aus getrockneten Pilzen handelte. Er bekam auch Hunger.
    Jemand rief: »Geschlossen!«
    Lamartine wartete darauf, daß ihn jemand danach fragte, was er wollte, aber niemand beachtete ihn. Da trat er näher und fragte
     nach dem Patron. Die Bediensteten aßen stumm weiter. Erst jetzt bemerkte der Inspektor, daß es eigenartig roch: viel zu süßlich
     für einen Pilzeintopf. Auch hatte er den Eindruck, daß etwas angebrannt war: Horn oder Haare.
    Lamartine setzte sich an einen der freien Tische und wartete. Ein alter, gebückter Mann stand auf und ging in die Küche. Lamartine
     glaubte, er hole den Patron, aber der Alte kam mit einem halben Laib Brot zurück, von dem er ein Stück abriß, um es in den
     Topf mit dem schwarzen Essen zu tunken. Die anderen teilten den Rest des Brotes untereinander auf.
    Lamartine stand auf und ging zu dem Tisch hinüber. Niemand schaute auf. »Ich will den Patron sprechen!« sagte er. »Nicht da«,
     antwortete der Alte mit vollem Mund, ohne Lamartineanzusehen. Der Inspektor legte ihm seine Hand auf die Schulter, der Alte erstarrte und hörte auf zu kauen. Die übrigen sahen
     auf und schauten Lamartine an.
    »Ich komme wegen Gaston Franc«, erklärte Lamartine.
    »Wir wissen nicht, wo er ist«, antwortete der Alte.
    »Wann kam er das letzte Mal zur Arbeit?« fragte Lamartine.
    »Vorgestern«, antwortete der Alte.
    »Haben Sie ihn gestern nicht vermißt?«
    »Nein. Er hatte frei.«
    »Wann hat er hier angefangen?«
    »Vor einer Woche.«
    »Und dann bekommt er so schnell frei?«
    »Was geht Sie das

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