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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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die Soldaten sich korrekt verhalten sollten: Preußen bediente sich bei den geschlagenen Verbündeten. Schleswig-Holstein,
     das Königreich Hannover, Kurhessen, Nassau und die Stadt Frankfurt am Main (während alle anderen billig davonkamen, brummte
     Bismarck der verhaßten Revoluzzerstadt 31   Millionen Taler Reparationen auf, woraufhin sich der Frankfurter Bürgermeister erhängte) fielen an Berlin. Wien konnte gerade
     noch verhindern, daß die Preußen sich auch seinen engsten Verbündeten, nämlich Sachsen, unter den Nagel riß. Das beträchtliche
     Vermögen des Königs von Hannover wurde konfisziert, und als dieser, Georg V., von London aus Preußen kritisierte, bezeichnete
     Bismarck ihn als »Giftreptil«.Das Geld Georgs wurde deshalb im Volksmund »Reptilienfonds« genannt – und allein Stiebers Geheimdienst
     kam in den Genuß dieser Kriegsbeute. Stieber, dessen Agentennetz den Sieg vorbereitet hatte, wurde zum »Geheimen Regierungsrat«
     ernannt.
    Die unerwarteten Finanzmittel sollte Stiebers Dienst vor allem gegen Georg V. verwenden. Der preußische Generalkonsul in Washington
     von Gerold berichtete nämlich von einer Gruppe Königstreuer aus Hannover, die von New Orleans aus ein Attentat auf Bismarck
     vorbereiteten. Zudem fanden in Hannover und in England Soldaten-Werbungenfür ein neues Heer gegen Preußen statt, das in einem kommenden preußisch-französischen Krieg auf französischer Seite kämpfen
     sollte.
    Vor dem Hintergrund dieser Gefahr wurde Stieber am 17.   Mai 1867 das »General-Sicherheitscommissarium« übertragen. Das bedeutete, daß Wilhelm Stieber nun die Leitung aller Aktivitäten zum
     Schutze des Staates hatte.
    Stieber reiste inkognito nach Hannover, wo die verbitterten Bürger aus Haß gegen die preußischen Okkupanten ihre Hunde Bismarck
     und Wilhelm riefen. Er verhaftete die Soldatenwerber, hob ein umfangreiches englisches Waffenlager in einem Schloß nahe Hannover
     aus (der Hausherr, ein Graf G., kam bei dieser Aktion auf ebenso mysteriöse Weise ums Leben wie viele andere Delinquenten
     bei ähnlichen Visitationen Stiebers) und setzte den Kopf der Verschwörer, den Grafen Platen-Halermund, fest, der bereits ein
     britisches Offizierspatent in der Tasche hatte. Vor seiner Heimreise schnappte sich Stieber alle Guthaben des Exilkönigs bei
     hannoveranischen Banken.
    Im Juli 1867 traf Stieber zum ersten Mal auf seinen nächsten Feind: Frankreichs Kaiser Napoleon III.; Wilhelm I.von Preußen und der russische
     Zar Alexander trafen anläßlich der Weltausstellung in Paris zusammen, und Stieber war mit ihrem Schutz betraut (er hatte eine
     Art Beratervertrag mit dem Zar). Als Attentatsgerüchte kursierten, wurde Stieber ins Privatkabinett Napoleons gerufen, wo
     er zusammen mit dem Pariser Polizeipräfekten Bericht erstattete. Es kam sehr schnell zum Streit, denn der Präfekt duldete
     keine preußische Einmischung und verwies auf die Vorkehrungen der damals legendären Pariser Polizei.
    Die 1810 von François Vidocq gegründete Sûreté war für die Sicherheit der Hauptstadt verantwortlich. Auf Anordnung des damaligen Pariser
     Polizeipräfekten, Baron Pasquierot, hatte der Ex-Häftling eine schlagkräftige Brigade aus ehemaligen Mithäftlingen zusammengestellt
     und ein Archiv eingerichtet, in dem Aussehen und Arbeitsmethoden der Pariser Kriminellen, die seiner Organisation bekannt
     waren, gesammelt wurden. 1833 mußte Vidocq zurücktreten, weil der Polizeipräfekt Henri Gisquet es nicht mehr duldete, daß die Mitarbeiter der Sûreté sich
     aus Straffälligen rekrutierten. Die Sûreté bekam seriösere Chefs. Im Jahre 1871 , also zur Zeit des deutsch-französischen Krieges, hieß er Claude. Die Sûreté-Zentrale war von einer konspirativenWohnung in einen düsteren Bau am Quai d’Horloge und schließlich zum Quai des Orfèvres umgezogen. Obwohl Vidocqs Nachfolger
     keine Kriminellen mehr zu Inspektoren machten, blieben sie dennoch bei dessen Methode, Spitzel (
agents provocateurs
oder
moutons
) im Milieu zu unterhalten. Weiterhin sammelte man Personenkarten der Pariser Kriminellen. Zehn Jahre nach dem deutschfranzösischen
     Krieg, also um 1880, umfaßte das Archiv fünf Millionen dieser Karten und bereits 50   000   Fotografien.
    Bei einer Fahrt mit der offenen Kutsche schoß der polnische Nationalist Berezowski auf den russischen Zaren, verletzte aber
     nur ein scheuendes Begleitpferd. Wie durch ein Wunder war der durch die abweisenden Gastgeber gekränkte Stieber

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