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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Bruders« als unentbehrlich an, ja künftig sollte eine
     solche »Vorsorge« seiner Politik vorangehen.
    Innerhalb von zehn Tagen legte Stieber dem Ministerpräsidenten den Entwurf zur »Errichtung eines geheimen Observationsdienstes
     in Österreich« vor. Das Muster dieses Planes entspricht der Struktur moderner Nachrichtendienste, damals aber war Stiebers
     Konzept geradezu revolutionär: Er verabschiedete sich von der üblichen Strategie, Einzelkundschafter auf neuralgische Ziele
     anzusetzen, und knüpfte ein engmaschiges Netz vieler Beobachter, die alle offiziellen,atmosphärischen und geheimen Informationen über ein Land sammeln und an die Zentrale weiterleiten sollten.
    Damit machte Stieber sich unabhängig von den willkürlichen Auswahlkriterien einzelner Spione, die vor Ort entschieden, was
     für ihre Zentrale wichtig war und was nicht – und er etablierte einen Nachrichtendienst, der durch spektakuläre Gegenspionageerfolge
     kaum noch zu verletzen war: Flog ein Kundschafter auf, so arbeitete das Netz dennoch emsig weiter, während früher bei der
     Aushebung eines großen Spions meistens die gesamte Logistik zusammenbrach.
    Auch informationstheoretisch war Stiebers österreichisches Konzept durchaus auf dem Stand des Computerzeitalters. Die Vielzahl
     der verarbeiteten Informationen schloß individuelle Fehler weitgehend aus. Stieber arbeitete nach statistischen Prinzipien:
     Erst wenn genügend gleichlautende und sich ergänzende Nachrichten vorlagen, wurde ein Fakt als gegeben angesehen. Seine erkenntnistheoretische
     Formel lautete: »Und auch die Wichtigkeit und Richtigkeit jeder einzelnen Information eines Agentenheeres läßt sich besser
     controllieren durch gleiche oder entgegen lautende weitere Meldungen, welche ja ununterbrochen einpassieren. Hieraus erwächst
     dann von selber stets das zutreffende Abbild aller Verhältnisse und Vorhaben in dem observierten Land.«
    Stieber setzte auch neue Maßstäbe bezüglich der Absicherung seiner Agenten. Er achtete darauf, daß sie voneinander fast nichts
     wußten und nur ein sorgsam abgeschotteter Agentenführer die Fäden in der Hand hielt – hier wurde das Residentensystem des
     20.   Jahrhunderts vorweggenommen: »Man braucht dazu allerorts nur einen ›Residenten‹, welcher selber nicht ausspäht, sondern als
     Organisator wirkt seines Rayons, um so viele Informationen daraus zu erpressen wie möglich. Seine Pflicht dazu ist das Aufspüren
     und Anwerben tüchtiger ›Assistenten‹ (Zuträger).«
    Alle Informationen liefen in der »Centrale« zusammen und wurden sorgfältig analysiert. Die Analyse mündete in einen Lagebericht,
     dessen wesentliche Erkenntnisse sich gerade im Kontrast der Nachrichten aus verschiedenen Residenzen ergab. So und nicht anders
     arbeiten heutzutage die großen Analyse-Departments der CIA und anderer Dienste.
    Ein besonderes Augenmerk legte Stieber auf die Presse. Er ahnte, welche Macht die Medien bald haben würden, und verstand es,
     diesesPotential zu nutzen: »Selbst secreteste Wirtschafts- und Militärthemen können Presseleute völlig unbehelligt eruieren, ja
     sie kennen oft genug hohe Politiker und Militärs so freundschaftlich, daß jene in ihrer Gegenwart aus ihrem Wissen kein Hehl
     mehr machen.«
    Dabei ging es ihm nicht nur darum, den »meist chronischen Geldbedarf aller Scribenten« zu Spionagezwecken zu nutzen, er setzte
     auch auf seriöse Kompetenzen der Presse und drängte darauf, daß seine Residenten auch offenliegende Vorträge, Kommentare,
     Fachpublikationen auswerteten. Vor allem war der Geheimdienstler Stieber begeistert von dem Nimbus der Journalisten: Während
     seine Leute verdeckt und im dunkeln agierten (was ihm persönlich Zeit seines Lebens zu schaffen machte), bewegten sich Journalisten
     in politischen Kreisen ganz offen und wurden auch noch von Politikern umworben. Stieber imponierte das so sehr, daß er seinen
     neuen deutschen Geheimdienst als Pressebüro tarnte.
    Zufälligerweise war der preußische König damals besonders verärgert über die geplante Eröffnung einer Filiale der »Reuterschen
     Telegraphen-Companie« in Berlin. Er befürchtete ein englisches Monopol bei der »Lenkung der Volksmeinung« und drängte auf
     die Einrichtung einer deutschen Agentur. Dieses »Telegraphen-Bureau« des Dr.   Wolff wurde die Deckadresse von Stiebers Berliner Zentrale. (Reuters wurde die Genehmigung mit der Begründung verweigert,
     eine englische Agentur garantiere nicht die »den

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