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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Krankheit. Diese Leute, die jetzt Barrikaden bauen und die Fabriken besetzen, wollen keinen neuen Staat,
     sie kämpfen auch nicht für mehr Gerechtigkeit, sie wollen den Staat, ja, die Zivilisation zerstören. Das sind Menschen, die
     gegen jede Art von vernünftiger Organisation sind, Träumer, die die Menschen in einen primitiven Urzustand zurückversetzen
     wollen. Wir brauchen einen modernen Staat, um anständig miteinander leben zu können. Wer diesen Staat verdammt, der will den
     Kampf der Wölfe untereinander. Glauben Sie mir, ich bin kein Idealist, und es wäre auch dumm von mir, mich als ein Retter
     Ihres Landes aufzuspielen! Aber ich werde verhindern, daß in Paris die politische Pest ausbricht, diese Krankheit ist ansteckender
     als die wirkliche Pest. Mein Kaiser hat mich beauftragt zu verhindern, daß sich die Epidemie nach Osten ausbreitet.«
    »Was könnten die Ideen der Kommune in Ihrer Heimat schon viel ausrichten?«
    »Deutschland hat gerade erst zu sich selbst gefunden, Monsieur. Meine Landsleute wissen noch nicht so recht, wo siehingehören. In so einem Übergangszustand ist selbst der Stärkste empfänglich für simple Ideen, für Träumereien. Der Versuchung
     der Anarchie könnte meine Heimat derzeit ebensowenig widerstehen wie Ihre. Deshalb müssen wir etwas unternehmen. Ich habe
     übrigens herausgefunden, daß es sich bei den Mördern Francs um eine mächtige Organisation handelt. Das sind Unruhestifter,
     die sich die allgemeine Verwirrung um die Kommune zunutze machen. Sie schüren die Barrikadenkämpfe, damit Ihr Land unregierbar
     wird. Dann schlägt die Stunde der Lecoqs. Ein Volk, das nach einem verlorenen Krieg und einer blutigen Revolte keinerlei Hoffnung
     auf Ordnung mehr hat, folgt gerne solchen Anführern. Menschen wie Gaston Franc sind deshalb die Todfeinde eines Lecoq. Franc
     wollte den derzeitigen Zustand so schnell wie möglich beenden, er wollte weder die Kommune und die Barrikaden, noch die Lecoqs,
     die die Anarchie so lange schüren, bis das Volk nach ihrer Hilfe schreit. Deshalb hat er sich mit uns zusammengetan. Franc
     kannte Lecoqs Pläne genau, er wollte Frankreich vor dem Chaos und der Tyrannei bewahren. Deshalb ließ Lecoq ihn töten!«
    »Lecoq ist ein Konservativer, vielleicht sogar ein Kaisertreuer, er haßt die Kommune. Warum sollte er verhindern wollen, daß
     Sie gegen die Aufständischen vorgehen?« fragte Lamartine.
    »Lecoq ist gegen uns, das hat etwas mit seiner Berufsehre zu tun. Für die Spionage ist der Krieg nicht zu Ende, wenn alle
     Schlachten geschlagen sind. Lecoq führt immer noch Krieg – auch weil er Angst hat, seinen Einfluß zu verlieren, sobald der
     Frieden wirklich besiegelt ist. Am meisten aber fürchtet er, daß sich meine Leute in Frankreich umtun, was ich auch verstehe:
     Kein Geheimdienst kann es dulden, daß ein gegnerischer Dienst sich auf seinem Hoheitsgebiet benimmt, als wäre er zu Hause.
     Lecoq schürt den Unfrieden, weil er, solange es eine Kommune gibt und deutsche Truppen sich in Frankreich befinden, keine
     Angst haben muß, das Vertrauen der Regierungzu verlieren. Aber er geht strikt gegen alle vor, die sich um einen vernünftigen Ausgleich bemühen. Und daß er auch bereit
     ist, kriminelle Mittel anzuwenden, haben Sie ja am eigenen Leib erfahren. Glauben Sie mir: Gegen einen Lecoq sind Sie machtlos,
     er wird sie zerstören. Ich aber kann Ihnen helfen, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Und wenn Sie ein Patriot sind, dann
     müssen Sie das auch: Die Lecoqs sind es, die Ihr Land zugrunde richten, weil sie wollen, daß weitergekämpft wird – wenn nötig
     auch auf den Barrikaden.«
    Lamartine hatte sehr aufmerksam zugehört. In seinem Kopf fügten sich die Teile eines Bildes zusammen. Alles war plötzlich
     klar: Lecoq hatte Danquart zur Kriminalpolizei gebracht, damit er eine Léontine Suétens loswurde, die ihm in der Kommune zu
     mächtig geworden war, und er hatte Franc vergiftet, weil der mit den Deutschen zusammen in Paris aufräumen wollte. Lecoq beseitigte
     alles, was ihm im Wege stand. Sein Ziel war das Chaos, nach dem Chaos kam die Macht, und hinter der war Lecoq her.
    »Was erwarten Sie von mir?« fragte Lamartine.
    »Helfen Sie uns, jemanden in das Restaurant einzuschleusen! Wenn wir das schaffen, haben wir das ganze Nest in wenigen Tagen
     ausgehoben.«
    »Warum gerade ich? Es gibt Leute in Paris, die dafür besser geeignet sind, Monsieur Stieber!«
    »Sehen Sie, Lecoq ist ein Fuchs. Er beobachtet mich

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