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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Rucksack beladener Bauer umständlich seine Münzen zusammengekratzt
     und eine Fahrkarte ins Umland erstanden hatte, rückte ihre Schlange schneller vor.
    Lamartine sah sich um. Udo stritt sich jetzt mit dem Freier, das Geschäft schien nicht zustande kommen zu wollen. Udo drehte
     sich mehrmals gelangweilt weg. Sein Blick fiel auf Lamartine. Der Franzose riß den freien Arm hoch und winkte Udo zu. Er wußte
     nicht warum – es war ein Strohhalm, an den er sich klammerte.
    Udo verharrte, beide Hände in den Taschen der engen Hose, einen Moment in seiner Position. Dann sagte er etwas zu dem Freier,
     der unentwegt auf ihn einsprach, und kam mit weit ausholenden Schritten auf die beiden Franzosen zu. Etwas schien Lamartine
     an Udo anders als sonst.
    Lecoq, der seinen Blick auf den Schalter gerichtet hielt, bemerkte Udo erst, als dieser Lamartine ansprach. »Sie wollen verreisen?«
    »Ich muß!« antwortete Lamartine.
    Udos Blick fiel auf die Hand Lecoqs, der Lamartines Ärmel festhielt.
    »Sind Sie verhaftet?« fragte er.
    »Verschwinde!« herrschte Lecoq ihn auf deutsch an.
    Udo stutzte, dann fragte er freundlich: »Was habe ich Ihnen getan, mein Herr?«
    Lecoq wollte etwas entgegnen, aber es schienen ihm die Worte zu fehlen, schließlich tat er so, als sehe er sich nach einem
     Schutzmann um. Udo machte die Andeutung einer Verbeugung und wollte sich schon zurückziehen, als Lamartine laut erklärte:
     »Keine Angst, er holt keinen Gendarmen!«
    Udo blieb stehen, er schien wieder etwas zu wachsen. Er kniff seine Augen zusammen und fixierte Lecoq, über seiner Nasenwurzel
     erschien eine Furche. Udo dachte nach. »Sind Sie etwa auf der Flucht?« fragte er Lecoq. »Vielleicht könnte ich Ihnen behilflich
     sein.«
    »Hau endlich ab!« zischte Lecoq und hob die freie Hand zum Schlag. Udo wich zurück. Er drehte sich um und ging mit vorgeschobenen
     Schultern davon.
    Jetzt wußte Lamartine, was seltsam war am Verhalten Udos. Der Strichjunge trat selbstbewußter auf als sonst; fast wirkte er,
     als hätte er es diesmal nicht nötig, sich in der Halle aufzuhalten. Auch die Dreistigkeit, mit der er Lecoq angesprochen hatte,
     paßte in dieses Bild, ebenso die Tatsache, daß er den offenbar zahlungskräftigen Freier hatte abblitzen lassen.
    Lecoq kam an die Reihe. Er verlangte zwei Fahrkarten nach Paris und bezahlte mit großen, neuen Scheinen, die er aus dem Innenfutter
     seiner Jacke zog. Es dauerte, bis der Bahnangestellte die Fahrkarten ausgestellt hatte. Lamartine sah sich nach Udo um, aber
     der war verschwunden.
    Lecoq steckte beide Fahrkarten in die rechte Außentasche seiner Jacke und trat mit Lamartine zur Seite. »Unser Zug geht in
     einer halben Stunde. Wollen Sie vorher noch etwas essen?«
    »Ich müßte zur Toilette«, erklärte Lamartine. Er log nicht, die Aufregung war ihm auf die Blase geschlagen. Lecoq verzog sein
     Gesicht, der Gedanke, mit Lamartine das Untergeschoß des Bahnhofes aufsuchen zu müssen, schien ihm nicht zu behagen.
    »Oder wollen Sie, daß ich mich hier bepisse?« drängte der Inspektor.
    Lecoq zog an Lamartines Arm. Die beiden gingen bis zu der Treppe, die ins Untergeschoß führte. Dort blieb Lecoq plötzlich
     stehen, er schien sich unschlüssig zu sein.
    »Sie können ja hier warten!« schlug Lamartine vor. Da stieg Lecoq   – Lamartine hinter sich herziehend – nach unten.
    In den Toilettenräumen war es dunkel und kalt. Am Eingangstand ein kleiner Tisch mit einem weißen Unterteller. Lecoq griff in seine Hosentasche und warf eine Münze auf den Teller.
     Das Klirren setzte sich in den gekachelten Toilettenräumen fort. Außer den beiden Franzosen hielt sich niemand in den Toiletten
     auf. Lamartine betrat den Raum für die Herren. Erst wollte er zu einem der Pissoirs gehen. Dann aber ging er zur Front der
     hölzernen Kabinen hinüber. Lecoq hielt ihn zurück, er schüttelte den Kopf und wies mit einem Nicken auf die Pissoirs.
    »Das kann ich nicht – nicht, wenn Sie zusehen! Es würde Stunden dauern«, sagte Lamartine.
    Lecoq verlor die Geduld. Er versetzte Lamartines Schulter einen harten Stoß. Lamartine torkelte. Er öffnete eine Tür, trat
     ein und wollte hinter sich schließen. Lecoq stellte seinen Fuß in die Tür. »Nicht abschließen!«
    »Glauben Sie, ich entwische durch die Kanalisation? Ihr Herren von der Geheimpolizei seid ungeübt im Umgang mit normalen Kriminellen
     wie ich einer bin   ...«
    »Die Scherze werden Ihnen schon vergehen, Lamartine! Ich sage: Nicht

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