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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Glas.
    »Ich muß noch einmal mit Bjerregaard sprechen«, erklärte Lamartine. »Aber ich sage gleich: Ich habe kein Geld mehr.«
    Udo schlürfte den Grog. Er verbrannte sich die Zungenspitze und betastete sie zur Linderung mit seinen Fingerspitzen – die
     Nägel hatten tiefschwarze Ränder. »Das wird schwierig werden«, sagte er.
    Lamartine spielte das Spiel Udos mit; er konnte sich denken, daß er und Bjerregaard Spitzel Stiebers waren. Aber Lamartine
     war ein geübter Verhörführer und würde schon aus dem Pedell herausbekommen, was er wissen wollte – selbst bestochene Zeugen
     waren gute Zeugen, wenn ein Kriminalist wußte, daß, von wem und zu welchem Ziel sie bestochen waren.
    »Ohne Geld werden Sie Bjerregaard nicht zu Gesicht bekommen!« erklärte Udo.
    Lamartine fand, daß Udo diesmal etwas übertrieb. »Ich bin sicher, es wird auch anders gehen!« sagte er harsch.
    »Was haben Sie uns zu bieten?« fragte Udo.
    »Stieber wird es euch danken.« Das war gewagt, aber es reizte Lamartine, den Stricher aus der Reserve zu locken.
    »Warum sollte er? Er wird sich an uns rächen, wenn er herausbekommt, daß wir einem seiner Feinde helfen!«
    »Sie wissen ebensogut wie ich, daß Sie mir bisher nichts anvertraut haben, womit ich Stieber schaden könnte.«
    »Wenn das so ist«, sagte Udo gelassen und nahm noch einen großen Schluck von seinem Grog. »Warum reden Sie dann noch mit uns?«
    »Weil ich Stieber vielleicht gar nicht schaden will   ... Ich möchte ihm ein Angebot machen.«
    »Dann gehen Sie zu ihm und reden Sie mit ihm.«
    »Ich weiß nicht, wo ich ihn finden kann.«
    »Da können wir Ihnen auch nicht helfen!« Udo trank aus, bedankte sich knapp für die Einladung, stand auf und ging davon. Lamartine
     schaute ihm mit offenem Mund nach.
     
    Udo und Bjerregaard handelten also entgegen Lamartines Annahme aus eigenem Antrieb, aus Geldgier vielleicht, aber nicht auf
     Stiebers Veranlassung hin – und nun, da sie nichts mehr zu verkaufen hatten, war Lamartine uninteressant für sie geworden.
     Um so mehr konnte er auf Bjerregaards Aussagen geben, denn jetzt konnte er sich sicher sein, daß sie objektiv waren. Lamartine
     mußte Bjerregaard sprechen. Ohne Udo hatte er sogar bessere Chancen, den Schweden unter Druck zu setzen.
    Der Franzose erkannte die breite Prachtstraße wieder, die Flucht der klotzigen Bauten und die Mittelpromenade. Es schien nicht
     mehr so kalt zu sein, und die Passanten wirkten in der zaghaften Maisonne gelöster. Lamartine fühlte sich fast wie einer von
     ihnen, als er auf die Friedrich-Wilhelm-Universität zuschritt.
    Er fragte sich, ob er auch ohne Jeanne würde leben können. Eigenartigerweise erschien ihm dieser Gedanke gar nicht mehr so
     abwegig, ja, er verspürte sogar eine gewisse Erleichterung bei der Entdeckung, daß er sich durch die Anspannung der letzten
     Tage noch ein Stück weiter von seiner Frau gelöst hatte: In einen Zwiespalt der Gefühle würde ihn Jeanne nicht mehr stürzen.
     Für einen Moment fühlte sich Lamartine als freier Mensch, dann aber kam ihm das ungeborene Kind in den Sinn, und er spürte
     einen Schmerz in der Herzgegend.
    Er überquerte die breite Straße. Er sah sich nach beiden Seiten um, um nicht von einem Pferdeomnibus erfaßt zu werden. Für
     einen Augenblick glaubte er, die hagere Gestalt Lecoqs unter den Passanten zu erkennen. Als er dann aber das Portal der Universität
     vor sich sah, vertrieb er die vage Ahnung einer Gefahr und trat ein.
    Wie schon beim ersten Besuch wurde Lamartine nicht kontrolliert. Er führte die unerwartete Freizügigkeit darauf zurück, daß
     die sonst in Fragen der Ordnung so peniblen Deutschen nur eine Ausnahme von der Regel duldeten: Wenn es um die Dinge des Geistes
     ging – und die Berliner Universität war eben die größte und berühmteste Universität des Landes.
    Im kalten Foyer des Gebäudes wurde Lamartine von einer plötzlichen Sehnsucht gepackt. Er sehnte sich danach, zu Hause – wo
     auch immer das sein mochte – in seinem Sessel zu sitzen, ein Buch zur Hand zu nehmen und Dinge zu lesen, die das verwirrende
     Leben von Grund auf ordneten. Trotz der vielen Menschen herrschte eine bemerkenswerte Stille in der Universität. Die Studenten
     verließen die Vorlesungssäle zwar in Gruppen, aber sie sprachen wenig miteinander – und wenn, dann nur im Flüsterton.
    Lamartine stieg die Treppe zu der im Untergeschoß liegenden Wohnung des Pedells hinunter. Er begann zu frieren, knöpfte seinen
     Kragen

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