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Stigma

Stigma

Titel: Stigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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umzustimmen. Er wusste, dass es aussichtslos gewesen wäre. In seinem Inneren herrschte völlige Leere, ein Zustand der absoluten Resignation, als er seinen Sohn in das Auto einsteigen sah. Mark hatte sich mittlerweile beruhigt, war seiner Mutter aber nicht mehr von der Seite gewichen. Ein handflächengroßes Pflaster prangte auf seiner Wange. Zum Glück war es nicht nötig gewesen, die Wunde nähen zu lassen, was für Tom jedoch kein Trost war. Er konnte Karins entschiedenes Handeln verstehen; was er getan hatte, war unverzeihlich. Er war zu einer Gefahr geworden. Einer Gefahr, die nicht mehr einzuschätzen war.
    Während er zusah, wie Karin die letzten Gepäckstücke verstaute und zu Mark in den Wagen stieg, betätigte er eine der Kurzwahltasten des Funktelefons. Wenige Augenblicke später meldete sich Dr. Westphal.
    »Hallo, Tom, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich will diese Therapie machen, die Sie mir empfohlen haben«, sagte er mit tonloser Stimme.
    »Also, das freut mich sehr, Tom«, erwiderte sie überrascht und gleichzeitig begeistert.
    »Wie schnell können Sie alles Nötige in die Wege leiten?«
    »Das hängt von Professor Bartsch ab«, meinte sie. »Aber wie ich ihn kenne, kann er es in Ihrem Fall kaum …«
    »Morgen Nachmittag«, fiel er ihr entschieden ins Wort. »Hier, in meinem Haus. Ich erwarte Sie.« Ohne eine Reaktion abzuwarten, legte er auf.
    Währenddessen hörte er das Geräusch eines startenden Motors und sah dann zu, wie der Wagen die Einfahrt hinunterfuhr. Wenige Augenblicke später war seine Familie aus seinem Blickfeld verschwunden. Und damit auch aus seinem Leben.

TEIL ZWEI
Zeit der Rückkehr
Nächster Tag
     
Samstag, 20. Mai
     
     
     
     
     
    S uchen Sie sich jetzt einen Punkt in diesem Raum aus, auf den Sie sich fest konzentrieren.«
    Professor Bartschs tiefe, prägnante Stimme erinnerte Tom an die eines Nachrichtensprechers. Sein dichter Vollbart und die schmale Lesebrille auf seiner massigen Nase verliehen ihm die Aura eines Gelehrten. Als Tom dem hageren Mann an diesem Nachmittag zum ersten Mal begegnet war, hatte er sich gut vorstellen können, ihn als Vorleser für seine Hörbücher zu engagieren.
    »Richten Sie nun Ihre gesamte visuelle Wahrnehmung auf diesen einen Punkt und blenden Sie alles andere aus.«
    Der Professor saß auf einem weißen Velourssessel, auf dem Schoß eine Mappe mit allen relevanten Daten zu Toms Fall. Tom selbst lag vor ihm auf der großen Polsterliege, die den Mittelpunkt des Wintergartens bildete. Dr. Westphal hatte auf einem Stuhl hinter den beiden Platz genommen und fungierte als Beobachterin. Die beiden Ärzte waren gegen drei Uhr bei Tom eingetroffen, der diesen frühen Termin lediglich dem Umstand zu verdanken hatte, dass Professor Bartsch am Wochenende keine Therapiesitzungen abhielt und damit an diesem Tag keine anderen Patienten behandeln musste. Außerdem war er von Dr. Westphal bereits ausreichend mit Toms Situation vertraut gemacht worden. Tom hatte auf ein einleitendes Gespräch verzichtet. Schon am Abend zuvor hatte er sich im Internet über sämtliche Formen der Hypnose und deren Einleitung informiert. Deshalb sah er keine Veranlassung, noch mehr Zeit mit Gerede zu vergeuden. Er hatte genug von Erklärungen. Er wollte Antworten. Nur seine Rolle und sein Verhalten während der Rückführung wurden im Voraus festgelegt. Man einigte sich darauf, dass er in seinen Erinnerungen als neutraler Beobachter agieren sollte, genauso, wie er es auch in den Rückblenden tat, die ihn immer wieder heimsuchten. Damit sollte ein gewisser Abstand zu dem Geschehen hergestellt werden, um eine emotionale Überreaktion zu vermeiden. Sofern dies bei der Härte des Erlebten überhaupt möglich war. Außerdem legten sie fest, dass er sich nach der Sitzung an alle Einzelheiten der Rückführung erinnern würde. Dies barg zwar angesichts seiner instabilen psychischen Verfassung gewisse Risiken, doch schließlich war es Sinn und Zweck der Hypnose, die blockierten Erinnerungen freizulegen und neu aufzuarbeiten, deshalb war dieses Vorgehen unvermeidlich. Dr. Westphal bestand allerdings darauf, die Sitzung sofort abzubrechen, falls sich ihrer Meinung nach ein kritischer Zustand einstellen sollte.
    »Es gibt jetzt nur noch diesen einen Punkt für Sie. Ihr Sichtfeld schränkt sich mehr und mehr ein, und Ihr Blick gleicht dem Verlauf eines Tunnels.«
    Tom lag mit halb aufgerichtetem Oberkörper an das hohe Kopfteil der Polsterliege gelehnt da und starrte auf den

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