Still und starr ruht der Tod
später vor. Aber wenn Sie mich fragen … die haben sich abgesprochen.«
»Abgesprochen?«
»Zu lügen.«
»Wie kommen Sie drauf?« Abgelenkt von seiner eigenen Misere fingen Dantes Augen zu leuchten an.
»Weil sie Details nennen und gleich auf die Knackpunkte zu sprechen kommen. Das ist ein Hinweis darauf, dass Aussagen vorher abgesprochen sind. Und die Sache mit dem Handy …«
Dante zuckte die Achseln. »Also? Sie haben Rita umgebracht und im Wald verscharrt?«
»Nicht unbedingt. Obwohl man nie wissen kann. Horst Broicher war sichtlich nervös. Er füttert seine Lebensgefährtin durch, die einen auf Burn-out und große Künstlerin macht und in der engen Wohnung nicht mal Platz für eine Staffelei hat. Während sie malt, kann er nicht fernsehen.«
Dante lachte wiehernd.
»Na also, geht doch«, grinste Katinka aufmunternd. »Dann Susanne und Artur. Sie ist ein Mädelchen mit Piepsstimme und er ein Macho. ›Schatz, holst du uns ein Mineralwasser aus dem Keller?‹ Sie ist wahrscheinlich dankbar, dass sie einen so tollen Mann hat. Die Ehe wird nicht halten, es sei denn, sie ist extrem leidensfähig.«
»Weil Arturchen bald am nächsten Rock nestelt?«
»Oder längst genestelt hat.«
»Sie fantasieren, Frau Detektivin!«, wandte Dante ein.
»Ich achte nur auf die Dynamik.« Katinka verfiel ins Grübeln. »Simone, meine Klientin, hielt die Gespräche über Literatur für einen Witz. Sie ist nicht die Überkandideltste, aber ein solches Ausmaß von Plattheiten hat sie schließlich doch überrascht.«
Dante zuckte die Achseln. »Ich finde, die meisten Menschen müssen ihre Erwartungen runterschrauben.«
»Sie auch?«
»Kein Kommentar zu meiner eigenen Person!« Dante hob beide Hände. »Reicht es nicht, wenn man sich ab und zu unter Kumpels trifft und ein Bier trinkt? So viele Freundeskreise zerfallen, weil man es nicht schafft, in Kontakt zu bleiben. Am Ende schreibt man sich Massen-E-Mails mit blöden Karikaturen als Anhang, und das war’s. Da ist es besser, ein Buch als Vorwand zu haben, um sich einmal im Monat zu treffen.«
»Die haben ein Extra-Meeting anberaumt. Am 12. Dezember. Um sich vor Weihnachten noch mal zu sehen.«
»Das kennen wir zur Genüge.« Theatralisch warf Dante die Arme in die Luft. »Wir müssen uns vor Weihnachten unbedingt noch mal sehen«, flötete er. »Nach Weihnachten gibt es kein Leben mehr. Schnell! Bevor es auf ewig zu spät ist!«
Katinka blies sich die Ponyfransen aus dem Gesicht. »Stimmt. Das Ganze nennt man die Weihnachts-Neurose.«
»Sag ich doch.« Dante bekam seinen Huber Sepp und machte sich über den Leberkäse her, als hätte er seit Wochen tatsächlich nur von Sprossen gelebt.
»Wo steckt Rita Weiß?« Katinka ließ den Blick durch das Restaurant schweifen. Am Abend wurde es schnell voll. Aus Büros und Uni stürmten die Leute das Luitpold zum Chill-out. Die Musik wurde lauter gedreht. Das Licht gedimmt. Sie beugte sich zu Dante. »Es lässt sich nicht leugnen, dass sie verschwunden ist.«
»Möglicherweise hatte sie genug von ihrer französischen Freundin.«
»Und reist ab? Ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Zahnbürste mitzunehmen, ohne …«
Dante kaute mit vollen Backen. »Vielleicht hat sie dieses Treffen mit den Literaturcracks vorgeschoben«, mümmelte er. »Ihrer Freundin gegenüber, meine ich.«
»Um als Nächstes … was zu tun?«
»Kann sein, dass sie das zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht wusste. Wollte einfach fahren, einfach raus … ist anderswo verunglückt, hatte keine Papiere dabei … oder sie ist nach Tschechien, weiter nach Polen, weg, raus, warum nicht!«
Katinka wiegte den Kopf. »Immerhin möglich.«
»Ich sage Ihnen«, Dante zeigte mit der Gabel auf sie, »es hat alles eine ganz natürliche Erklärung.«
»Das wollen wir hoffen.«
»Und vergessen Sie nicht: Rita ist vermutlich genauso enttäuscht von Simone wie Simone von Rita.«
»Das mag sein. Aber«, Katinka bemerkte mit Erstaunen, dass Dante das erste Stück Leberkäse bereits vertilgt hatte, »es ist ein zweites Mitglied abgängig. Ivo Leistner. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber der Mann ist nicht zu erreichen.«
10
Simones Kopf brummte. Sie konnte nicht einschlafen. Ohnehin fand sie, seit Jean-Claude die Neue hatte, nur noch dann Schlaf, wenn sie am Abend zwei Gläser Rotwein trank. Sie saß in Ritas Wohnzimmer, musterte die lieblose Einrichtung und machte sich zum x-ten Mal Gedanken, wo Rita sein konnte. Sie wusste selbst, wie albern
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