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Still und starr ruht der Tod

Still und starr ruht der Tod

Titel: Still und starr ruht der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmoee
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Schneeflocken von ihrem Mantel, bevor sie ihn über den einen Besuchersessel warf und sich in dem anderen niederließ.
    »Ich war heute Morgen bei Margot Scheinfelder.« Katinka erinnerte sich ungern an das Gespräch. Wahrscheinlich, weil sie bisher niemanden kennengelernt hatte, der so wenig Selbstbewusstsein besaß. »Margots Kernaussage war: Der ganze Kurs hätte Rita immer bewundert. Für ihre Art, der Gruppe Literatur nahezubringen.«
    Simone schnäuzte sich. »Ich bin schon nahe an einem Nervenzusammenbruch. Seit drei Tagen ist sie weg, und es kommt kein Lebenszeichen. Das kann einfach nicht wahr sein!«
    Katinka rief sich das Gespräch heute Morgen in Forchheim in Erinnerung. ›Wir alle haben Rita immer bewundert.‹ Ob sie denn die Dozentin inzwischen nicht mehr bewunderten, hatte Katinka gefragt, Margots erschrockenem Blick mit einem Lächeln begegnend. ›Doch, sicher‹, beeilte sich Margot zu versichern. ›Wir alle bewundern sie.‹
    »In dem Literatur- und Fresszirkel brodeln eine Menge Konflikte«, fasste Katinka zusammen. »Das ist mein Eindruck. Irmi und Günther habe ich noch nicht erreicht. Aber es ist immer dasselbe Muster. Man bewundert Rita. Aber mag man sie auch?«
    Simone sah Katinka erstaunt an. »Das habe ich mich noch gar nicht gefragt.«
    »Sie dachten, die sind alle die besten Freunde?«
    »Ich hatte den Eindruck, dass Rita seit Jahr und Tag auf der anderen Seite steht.«
    »Auf der anderen Seite?«
    »Sie ist die Lehrerin, die anderen die Schüler. Zu einem Lehrer schaut man auf, man hat Respekt vor ihm. Wenn alles gut läuft, meine ich. Der Lehrer ist nie Teil der Schülergruppe. Er steht immer außerhalb. Hier.« Simone reichte Katinka ein paar Blatt Papier. »Das habe ich gestern in ihrem Laptop gefunden. Unter dem Kürzel LFZ.«
    »Literatur- und Fresszirkel?« Katinka griff nach den Blättern. Simone hatte dankenswerterweise das Datum in die Kopfzeile eingefügt. Der älteste Text stammte vom Dezember 2009. Der neueste vom August 2012.
    »Ich verstehe die Daten so«, interpretierte Simone drauflos. »Seit 2009 bis zum vergangenen Sommer hat Rita in ihrem Laptop genau Buch geführt, welche Texte sie im Literatur- und Fresszirkel gelesen haben. Für jedes Buch gibt es eine Datei. Sehen Sie?« Sie tippte auf das oberste Blatt. »Hier. August 2012: Robert Harris, Ghost. Es steht eine Kurzzusammenfassung dabei und dann Ritas Ideen, wie sie das Gespräch über das Buch aufziehen kann.«
    Katinka gab Simone recht. Es war eine Art Lehrplan, vielleicht auch nur ein Steinbruch für Rita selbst, um die Diskussion in der Gruppe führen zu können. »Sie hat sich ja akribisch vorbereitet!«, stellte Katinka fest.
    »Allerdings. Ob es die Sache wert war, wage ich zu bezweifeln«, bestätigte Simone trocken. Sie legte ein weiteres Blatt auf Katinkas Schreibtisch. »Eine Liste der Bücher, die seit 2009 gelesen wurden. Jeden Monat ein anderes.«
    »Meinen Sie, die Gruppe hat das Pensum durchgehalten?«
    »Kann ich mir kaum vorstellen. Wahrscheinlich war die Liste eher eine Sammlung von Vorschlägen, aus denen die Leute dann was auswählten.«
    »Sie haben mit Sten Nadolnys Entdeckung der Langsamkeit angefangen. Monika Maron, Heinrich Böll, Elfriede Jelinek – ein anspruchsvolles Programm.«
    »Und sie endeten bei Robert Harris!« Simone schüttelte den Kopf.
    Katinka konnte ihre Empörung nicht nachvollziehen. Sie selbst griff lieber zu einem guten Thriller als zu den Auswüchsen hochgepriesener und mit Auszeichnungen überhäufter Autoren. Ausgenommen Heinrich Böll. Den mochte sie.
    »Das Lesen ist frei«, lachte Katinka. »Wie die Gedanken auch.«
    Simone zuckte die Achseln.
    »Haben Sie sonst was auf dem Rechner gefunden, das uns helfen könnte, zu rekonstruieren, wo Rita steckt?«
    »Nein. Nichts.«
    Katinka ließ ihren Blick für ein paar Sekunden auf Simones erschöpftem Gesicht ruhen.
    »Ich habe die Polizei informell gebeten, deutschlandweit sowie in Tschechien in den Krankenhäusern anzufragen«, sagte sie schließlich. »Für den Fall, dass Rita ganz woanders hingefahren ist.«
    »Warum hätte sie das tun sollen?«
    »Das wissen wir nicht. Noch nicht. Sie könnten eine Vermisstenanzeige aufgeben. Haben Sie eine Ahnung, was Rita in den Tagen vor Ihrer Ankunft gemacht hat?« Katinka legte die Papiere weg.
    »Sie schrieb ein Feature für den BR. Das Manuskript hat sie am Morgen, als ich in Bamberg ankam, eingereicht. Es passte alles so gut mit meinem Besuch zusammen. Sie recherchierte

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