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Still und starr ruht der Tod

Still und starr ruht der Tod

Titel: Still und starr ruht der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmoee
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tappte in die Küche. »Das müssen Sie mir genauer erklären.«
    »Wir sind gestern ganz normal ins Bett gegangen. So um halb zwölf. Und vor einer halben Stunde wache ich auf, gehe zur Toilette, und da sehe ich erst, dass er nicht im Bett liegt.« Wallis Stimme überschlug sich.
    »Schnarcht er auf dem Wohnzimmersofa?« Katinka hockte sich auf einen Stuhl und zog die Füße an. Verdammt, die Wohnung wurde in der Nacht viel zu kalt. Sie sah hinaus in den Hof. Es schneite leicht. Der Schnee im Innenhof sah unberührt aus und schimmerte gelblich im trüben Licht der Hofleuchte.
    »Er ist nicht in der Wohnung! Ich habe alles abgesucht. Das Auto ist auch nicht hier. Sein Hausschlüssel, sein Autoschlüssel, sein Anorak: alles weg.«
    »Trägt er zufällig einen schwarzen Wolfskin-Parka mit gelber Schrift?«
    Einen kurzen Moment blieb es still in der Leitung.
    »Einen dunkelblauen. Warum?«
    »Ach nichts. Und er hat nichts hinterlassen, keinen Zettel? Haben Sie sein Handy angerufen?«
    »Er geht nicht an den Apparat.«
    Katinka hustete. Bitte keine Erkältung, flehte sie. Bitte alles, aber keine Erkältung.
    »Denken Sie ganz ruhig nach. Wollte er irgendwo hin? Hatte er einen Termin auswärts, wo er früh aufschlagen sollte? Hat er gestern Abend eine Andeutung gemacht?«
    »Nein, nein, nein. Alles wie immer.«
    Katinka sah auf die Küchenuhr über dem Herd. 4:45 Uhr.
    »Haben Sie Freunde angerufen? Verwandte?«
    »Noch nicht. Soll ich die zu nachtschlafender Zeit rausklingeln?«
    Mich kann man ja rausklingeln, dachte Katinka. Ich bin wie ein Pfarrer oder Bulle. Immer im Einsatz, wenn’s brennt.
    »Hat Ihr Lebensgefährte eine Geliebte, Walli? Könnte das möglich sein?«
    »Horst?« Walli lachte auf. »Er ist im Bett nun nicht gerade der Hit.«
    Eine Affäre schien Katinka der Logik der Situation am ehesten angemessen. Horst Broicher arbeitete bei der Sparkasse. Da gab es sicher eine Menge schick hergerichtete Ladys, die durchgehend auf der Suche nach einem einigermaßen vorzeigbaren männlichen Exemplar waren. Und zwischen Horst und Walli stand es augenscheinlich nicht zum Besten.
    »Was soll ich jetzt machen?«, wimmerte Walli.
    Ins Bett gehen, einschlafen, träumen, dachte Katinka. Der kommt schon wieder.
    »Warten Sie ab, bis es hell wird. Rufen Sie an seiner Arbeitsstelle an. Wenn er nicht dort ist, melden Sie sich wieder bei mir.«
    Katinka beendete das Gespräch, bevor Walli ›piep‹ sagen konnte. Sie stand auf und sah in den Hof hinunter. Eine vermummte Gestalt schob ihr Fahrrad herein und stellte es unter den Briefkästen ab. Es war Eva Bohnstett, Katinkas Mieterin aus dem Parterre. Die freiberufliche Hebamme hatte die absurdesten Arbeitszeiten. Katinka sah zu, wie Eva müde durch den Schnee schnürte, ohne auch nur den Versuch zu machen, die Füße zu heben. Sie trug eine dunkle Mütze und eine grüne Jack Wolfskin-Jacke.
    »Dieses Outdoor-Zeug ist der reinste Virus«, dachte Katinka. Ihr Hals schmerzte, und sie spürte ein Ziehen hinter der Stirn, das nichts Gutes ankündigte. Gähnend setzte sie Wasser auf und kramte in Hardos Vorräten nach Teebeuteln. Er besaß nur Pfefferminztee. Auch gut. Sie goss eine Tasse auf und sah zu, wie das dampfende Wasser sich grün färbte.
    Zugegeben, sie selbst würde keine Affäre mit Broicher anfangen. So toll sah er nicht aus, dass frau sich den Stress einer geheimen Beziehung für ihn antun würde. Aber manche Geschlechtsgenossinnen waren grauenhaft verzweifelt und auf der Jagd nach allem, was männlich und beschwanzt war.
    Überhaupt, was für eine absurde Idee: Nachts im tiefsten Winter aus dem Bett zu steigen, um durch die Kälte zu fahren. Er musste die außerordentlichste Frau des Jahrhunderts gefunden haben. Eine richtige Supernova. So eine wiederum gab sich vermutlich nicht mit Horst Broicher aus der Kreditabteilung ab. Es sei denn, sie war dringend auf einen Kredit angewiesen. Katinka lächelte, trank den Tee in kleinen Schlucken und ging wieder ins Bett. An Hardo gekuschelt, hörte sie im Halbschlaf irgendwo weiter Richtung Innenstadt ein Martinshorn aufjaulen. Dann war alles still.
     
    Als sie um neun aufwachte, fühlte ihre Stirn sich unangenehm warm an. Hardo war natürlich längst weg. Schwankend zog Katinka sich an und ging in ihre Wohnung hinüber, wo sie im Arzneischränkchen eine angebrochene Packung Aspirin fand. Sie löste zwei Tabletten auf. Sah auf ihr Handy. Rief Walli an.
    »Ist er aufgetaucht?«, fragte sie.
    Walli heulte. »Nein. Ist er nicht.

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