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Still und starr ruht der Tod

Still und starr ruht der Tod

Titel: Still und starr ruht der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmoee
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16.01 Uhr!« Katinka wies auf die digitale Zeitanzeige auf dem Monitor.
    »Sie müssen sich ein abschließbares Tor anschaffen«, bemerkte Dante. »Zu dem einzig und allein die Bewohner einen Schlüssel bekommen.«
    Katinka nickte abgelenkt. Exakt, ein abschließbares Tor wäre eine nützliche Investition. Schätzungsweise nützlicher als die Kameras. Im Augenblick machte Gustl Reimers Ausstattung nichtsdestoweniger einen Superjob.
    »Kennen Sie den Mann?« Katinka ließ die Aufnahme wieder laufen.
    »Breite Schultern. Dunkler Anorak. Keine Marke erkennbar.«
    »Riesige Füße. Und er trägt Boots.«
    »Sehen aus wie Gummistiefel. Warum sind Ihnen die Abdrücke im Schnee nicht aufgefallen, als Sie heimkamen?«, fragte Dante.
    »Meine Jungs kommen und gehen. Da ist nicht mehr viel mit Einzelspuren!«
    »Ihre Jungs, aha!«
    »Keine Anzüglichkeiten«, schnappte Katinka.
    »Sie bringen mich überhaupt erst auf die Idee!« Dante grinste frech. »Im Ernst: Wer sollte das sein? Dieser Artur Schweigau?«
    »Die Größe könnte passen, aber er kam mir nicht so massig vor.«
    »Das liegt an den Wintersachen. Darin sehen alle wie Tonnen aus.«
    Katinka knetete ihre Unterlippe. »Steuern Sie was bei zu diesem Fall, Wischnewski! Immerhin wollen Sie sich als mein persönlicher Assistent profilieren.«
    »Logischerweise liegt die Lösung des Rätsels in den Verwerfungen der Leseclique verborgen«, begann Dante. »Sollen wir hier im Korridor herumstehen?«
    Katinka grinste. »Gehen wir raus und essen irgendwo eine Kleinigkeit.« Sie dachte an die Einkäufe im Kühlschrank. Jetzt zu kochen, kam ihr überhaupt nicht zupass. Sie brauchte jedes Fitzelchen Energie, das Körper und Geist hergaben, um sämtliche Stränge des Falles aufzudröseln. Hardo war auch noch nicht zu Hause. Die Dunkelheit draußen drückte aufs Gemüt.
    Während sie durch den frisch gefallenen Schnee stapften, erläuterte Dante seine Sicht der Dinge: »Wir müssen den Subtext finden. Das ist beim Schreiben die Kunst, wissen Sie? X mitzuteilen, während Y gesagt wird.«
    »Verstecktes? Unterschwelliges? Unbewusstes?«
    »Zum Beispiel. Allgemeiner gesagt ist der Subtext die eigentliche Mitteilung. In Zeiten von Zensur entwickeln Menschen die Fähigkeit, auf einer simplen Postkarte Banalitäten zu formulieren. Der Empfänger kann aber herauslesen, was wirklich gemeint war.«
    »Trifft das auch auf Ritas Urteile über ihre Freunde zu?«
    »Im Prinzip ja. Damit haben wir uns in Kalifornien beschäftigt.«
    »Warum …«
    Dante hob die Hand. »Keine privaten Fragen. Der Subtext des Leseklubs klingt für mich so: Man mag einander nicht mehr. Eigentlich würde man gern auseinandergehen, denn die Interessen haben sich verschoben, und die Idee des Literatur- und Fresszirkels zieht nicht mehr. Aber man kann nicht. Ist es denn so unlogisch, dass Rita mit ihren Charakterstudien ihre Lesekumpane dermaßen verärgern wollte, dass die sich von ihr zurückziehen?«
    »Es ist eine völlige durchgeknallte Art, reinen Tisch zu machen«, wandte Katinka ein.
    Sie überquerten den Unteren Kaulberg und kamen einem Renault in die Quere, der den Berg herabschoss wie eine außer Kontrolle geratene Billardkugel. Als der Fahrer Katinka und Dante sah, trat er auf die Bremse, geriet auf der glatten Straße ins Rutschen und schlitterte in Schlangenlinien durch den engen Durchlass zwischen Kirche und Studentenwohnheim. In letzter Sekunde sprang Dante auf den Gehsteig zurück, während Katinka mit einem Sprint auf die andere Straßenseite der Kollision auswich.
    »Mein lieber Herr Gesangsverein, manche können schlicht nicht fahren«, keuchte Dante, als er wieder neben Katinka ging. »Ich habe richtig Wackelpeter in den Knien. Ob der Knabe je von winterlichen Straßenverhältnissen gehört hat?«
    »Warum können sie nicht?«, fragte Katinka benommen. Der Schreck saß ihr in den Gliedern. Mit jedem einzelnen Schritt durch den Schnee wollte sie sich bestätigen, dass ihre Knochen in Ordnung waren, und dass sie der Kühlerhaube des Wahnsinnigen um Haaresbreite entkommen war.
    »Nicht fahren?«, quietschte Dante.
    »Nein. Warum können sich manche Freundeskreise nicht trennen? Was hält sie davon ab?«
    »Das müssen wir herausfinden.« Dante drückte seine Ohrenklappenmütze fester auf seinen Kopf. »In allen Äußerungen der Beteiligten müssen wir den Subtext suchen.«
    »An den Wortlaut kann ich mich kaum erinnern«, seufzte Katinka.
    »Eben. Sie filtern aus dem Gesagten Bedeutung und merken sich

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