Still und starr ruht der Tod
verzweifelt, weil Sie gestern nicht zur Arbeit gekommen sind.«
»Hat sie Sie angerufen?«, keuchte Artur.
»Na, sie hat sich ziemliche Sorgen gemacht.«
»Susanne ist von einer Grippe total angeschlagen. Sie hat einfach nicht mehr dran gedacht, dass ich unterwegs war. Ein Kundenbesuch in München.«
»War sicher nicht schön, bei diesem Wetter die ganze Strecke zu fahren.«
»Die Autobahnen sind in Ordnung«, erwiderte Artur. »Ich habe gute Reifen. Ich fahre einen ausgezeichneten Wagen. Man muss eben ein bisschen was ausgeben, wenn …«
»Tja, dann«, unterbrach Katinka seinen Redeschwall.
»Ja, danke, dass Sie sich bemüht haben!« Artur Schweigau legte eiligst auf.
Idiot, dachte Katinka. Sie glaubte ihm keine Silbe. Stattdessen brütete sie über der Frage, wer die Ratte abgelegt hatte. Warum bei ihr? Weil jemandem nicht gefiel, dass sie ermittelte? Und was hatte es mit Arturs plötzlichem Verschwinden und anschließendem wundersamen Auftauchen auf sich? Wie sie es drehte und wendete, sie kam einfach nicht weiter. Womöglich kreisten ihre Gedanken zwanghaft um den Klub der Lesefreaks, wobei es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes ging? Aber wie sollte sie das herausfinden? Ärgerlich musste Katinka zugeben, dass sie festhing; gleichzeitig wollte sie aber nicht von ihrer Intuition ablassen, dass die Beziehungen innerhalb des Literatur- und Fresszirkels Dreh- und Angelpunkt der beiden Todesfälle und von Ritas Verschwinden waren. Sie meldete sich bei Walli.
»Haben Sie Zeit?«, schniefte Walli, nachdem das Begrüßungsgeplänkel abgeschlossen war. »Könnten wir uns treffen? Ich muss raus. Ich werde verrückt, so allein in der Wohnung.«
Katinka sah auf die Uhr. »Sollen wir uns um 14 Uhr in Bamberg auf einen Kaffee treffen?«
»Warum nicht?«
»Kennen Sie das Café Tandem an der Markusbrücke?«
»Ja. Ich komme dorthin. Bis später.«
Anschließend rief Katinka den Elektriker an und wurde mit Ausflüchten abgespeist. Weihnachten schien als Erklärung für jede Art von Ausrede herzuhalten.
Sie versuchte es bei Susanne. Wählte schließlich die Nummer des Altenheimes, wo diese arbeitete.
»Ja klar, Susanne ist heute wieder im Dienst!«, zwitscherte eine weibliche Stimme und reichte den Hörer weiter.
»Schweigau?«
»Geht’s Ihnen besser?«
»Ach – Frau Palfy!« Susanne räusperte sich. »Ja, es geht mir besser.«
»Schön, dass Ihr Mann wieder aufgetaucht ist.«
»Ja, ich … Na ja … ich habe … ich habe mir anscheinend unnötige Sorgen gemacht. Mit meinen Kopfschmerzen und so … Artur war bei einem Kunden, wissen Sie.«
Katinka blieb die Spucke weg. Erst machte das Frauchen die Welt rebellisch, weil ihr Göttergatte durchgebrannt war, und dann hielt sie es nicht einmal für nötig, Bescheid zu geben, wenn er wieder am heimischen Herd einlief.
»Damit ich das auch mal erfahre, musste ich ihn selbst anrufen!«
»Es tut mir leid. Ich hätte Sie wirklich informieren sollen«, druckste Susanne herum.
Wütend beendete Katinka das Gespräch. Artur Schweigau war ein Schwerenöter. Katinka war sicher, er hatte etwas mit einer anderen Frau. Die Geschichte mit München war erlogen. Trotzdem würde sein Kollege Junkers ihn decken. Sollte Katinka Auskunft über die Kunden verlangen, die er besucht hatte, hieße es zu Recht, das ginge sie nichts an.
Ich pfeife drauf, dachte Katinka. Die Schweigaus haben Eheprobleme. Soll ständig vorkommen. Kein Alarmzeichen, wenngleich in ihrem Dunstkreis zwei Männer umgekommen sind und Rattenkadaver auf Schuhabstreifer und in meinen Innenhof gelegt worden waren. Sie schrieb eine SMS an Kommissarin Kallweit, um sie mit der freudigen Nachricht zu beglücken, dass Artur Schweigau noch nicht unter den Mordopfern gelandet war.
Um 14 Uhr betrat sie das Café Tandem. Obwohl die Markusbrücke nicht allzu weit vom Zentrum entfernt lag, war es hier deutlich ruhiger als in der Innenstadt zwischen Weihnachtsbuden und Geschäften. Sogar die Weihnachtsdeko hielt sich in Grenzen. Walli kam zwei Minuten nach Katinka hereingesegelt. Ihren mageren Körper hatte sie in einen wallenden Rock gesteckt, über dem sie eine Tunika trug und darüber noch einen Mantel: ein wandelnder Stoffballen.
»Danke, dass Sie Zeit haben.« Walli schlüpfte aus ihrem Mantel und warf ihn über einen Stuhl. Unter seinem Gewicht kippte der Stuhl mit viel Getöse um. »Scheiße!« Walli traten Tränen in die Augen. Der Kellner kam gleich angelaufen.
»Nicht so schlimm, machen Sie sich keine
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