Still und starr ruht der Tod
wem ich die Fluse zuordnen soll.«
»Artur!« Das kam wie aus der Pistole geschossen. Weil die Erinnerung an jenen zweiten Besuch bei den Schweigaus Katinka nachgerade übermannte. »Mir fiel sein quietschgrüner Pulli auf. Er stand ihm nicht. Sah teuer aus, machte ihn aber blass.«
Die Kallweit saugte ihre Wangen ein und schob die Lippen vor, ihr Blick verlor sich in dem Kerzenmeer.
»Es ist typisch für Dante, solche Konstellationen aufzudecken, indem er sie durchspielt. Ihm hat wahrscheinlich nur noch ein Schnitzelchen zum Ziel gefehlt. Deswegen ist er nach Bayreuth gefahren.« Katinka warf den Apothekenkalender auf den Tisch. Mit einer schnellen Bewegung griff die Kommissarin danach.
»Susanne?« Sie blickte Katinka fragend an.
»Dante muss dahintergekommen sein, dass Susanne das Zentrum der ganzen Schweinerei ist.«
»Warum ausgerechnet Susanne?«
»Wir haben sie als Opfer betrachtet!«, rief Katinka. »Ihr böser Ehegatte hintergeht sie nach Strich und Faden. Ein Weiberheld und sein armes kleines Frauchen. Dante hat irgendein anderes Rädchen in Bewegung gesehen.«
»Nehmen wir an, Artur war in der Hütte«, sagte die Kallweit. »Bevor Rita starb. Das war am Donnerstag am sehr frühen Morgen. Sagen wir, Artur war die ganze Nacht zwischen Mittwoch und Donnerstag auf Ritas Fersen. Hat sie in der Hütte gestellt.«
»Woher konnte er wissen, dass sie dort war?«, wandte Katinka ein.
»Das lassen wir mal außen vor. Wird sich hoffentlich demnächst klären. Er wollte das Geld haben. Für Sexspielchen jedenfalls ist die Hütte im Winter nicht der richtige Ort.«
Und Rita nicht die richtige Frau. Oder vielleicht doch?, überlegte Katinka. Gerade sie, who knows, die Geheimnisse eines Menschenlebens waren unergründlich. Aber was die Kallweit sagte, hatte Hand und Fuß. Rita musste das Geld, das Horst abgehoben hatte, eingesackt haben. Wo sollte so viel Bargeld sonst stecken? Bei Horst und Walli zu Hause? Katinka schenkte sich Kaffee nach. Er war lauwarm. Sie trank ihn trotzdem. Ihr Gehirn lechzte nach seinem Dope. »Schließlich hat Artur Rita in der Hütte unter Druck gesetzt«, sagte sie laut.
Die Kallweit schüttelte den Kopf. »Wie ich es drehe und wende, ich stoße immer wieder an die eine Auflösung. Es gibt nur eine. Oder?«
»Ich muss zugeben, ich stehe da wie der Ochs vorm Scheunentor«, stammelte Katinka. »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Heiner Kowalski stirbt mit seiner Familie in seinem Wagen. Der Zündschlüssel wird nie gefunden. Damals, 2009, war Rita noch mit ihm zusammen. Jetzt schauen Sie nicht so perplex, Frau Palfy! Sie selbst haben mich darauf gebracht!«
»Ich?«
»Winterliche Unfälle, mit denen irgendwas nicht stimmt! Heiner, Ivo, Horst. Rita ist im Zusammenhang mit Heiners Tod ein einziges Mal von der Polizei vernommen worden. Eine Arbeitskollegin von Kowalski wusste von der Lebensgefährtin, die immer im Schatten blieb. Es gab keinen gemeinsamen Freundeskreis, keine Partys, nichts. Allerdings besaß Rita ein wasserdichtes Alibi.«
»Wenn das so ist«, Katinka stellte ihre Tasse ab und sah der Kommissarin direkt in ihre Bernsteinaugen, »schwebt Dante in Lebensgefahr.« Wenn er nicht … nein. Den Gedanken wollte sie nicht zu Ende denken.
Samstag, 22.12.
42
0.55 Uhr. Katinka drehte den Zündschlüssel. Sie stöpselte das Handy in den Zigarettenanzünder, um es aufzuladen. Die Kallweit setzte ihren Peugeot schwungvoll vor Katinka. Es konnte losgehen.
Dante war seit mehr als 48 Stunden abgängig. Sie hatten keine Ahnung, was mit ihm passiert war. Die Kallweit war bereit, eine ganze Staffel von mit Hunden ausgerüsteten Polizisten durch das unter Eis und Schnee erstarrte Fichtelgebirge zu jagen. Doch zuerst benötigten sie einen Anhaltspunkt. Ein Bayreuther Kollege war zur Wohnung der Schweigaus geschickt worden. Die Bürokratie der Zuständigkeiten machte es der Kallweit nicht allzu leicht, für diese Aufgaben jemanden mitten in der Nacht abzustellen, insbesondere am Wochenende vor Weihnachten, aber sie schaffte es irgendwie. Leider vermeldete der Kollege, dass die Wohnung der Schweigaus vollkommen leer war und keine Anzeichen eines Verbrechens zu erkennen waren.
Katinkas Handy klingelte.
»Hardo!«, rief sie erfreut.
»Wo steckst du denn«, fragte er. »Das Haus ist leer. Dafür brennen zwei Theaterscheinwerfer im Hof.«
»Das sind Baulampen«, verbesserte Katinka. »Ich bin in Hof. Die Kallweit bringt mich jetzt zu der Forsthütte, du weißt
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