Stille Gefahr #2
ihrer goldfarbenen Iris war noch zu sehen. Ihre vollen, weichen Lippen zitterten. Und obwohl ihre laute Stimme und ihr angespannter Körper Kampfeslust signalisierten, bemerkte er ihre Angst.
Angst und Kummer und Zorn.
Sie versuchte sich seinem Griff zu entwinden, sodass er fester zupacken musste, und unterdrückte ein Stöhnen, als sich der Druck auf seinen Arm dadurch verstärkte. »Wenn ich Sie loslasse, werden Sie mich dann wieder bedrohen?«, fragte er.
Sie erstarrte.
Und drehte sich, um ihm in die Augen blicken zu können.
Der Kerl sah tatsächlich so aus, als würde er sie loslassen.
Ach Quatsch, das würde er nicht. Er trieb nur seine Spielchen mit ihr. Anders konnte es nicht sein.
Das war es, was sie glauben wollte, glauben musste.
Doch als sie ihm in die Augen schaute, fragte sie sich …
Nia besaß eine gute Menschenkenntnis. Das gehörte einfach zu ihrem Job dazu. Sie erkannte sofort, wer ein Schwein und wer ein halbwegs anständiger Kerl war. Sie merkte, wenn ihr jemand das Blaue vom Himmel herunterlog oder wenn ein Mensch die Wahrheit sagte. Und sie erkannte es, wenn sie einem Ungeheuer in Menschengestalt in die Augen blickte.
Und genau dieses Monster hatte sie hier zu finden gehofft. Hatte sich danach gesehnt , es zu finden.
Scheiße!
Sie versuchte, diese innere kleine Stimme zum Schweigen zu bringen, und befahl sich, die Sache noch nicht abzuschreiben. Himmel, ein Soziopath konnte schließlich jedem etwas vormachen, oder etwa nicht?
Sie schaute noch einmal in diese viel zu freundlichen Augen und nickte kurz. »Also gut. Du lässt mich los und ich halte mich zurück … zumindest vorerst.«
Er würde sie sowieso nicht freigeben.
Und dann tat er es doch.
Diese Augen, goldgrün mit braunen Sprenkeln … Lange schaute er sie an und lockerte langsam seinen Griff um ihre Handgelenke, bevor er schließlich einen Schritt zurücktrat. Sie war frei.
Mit zusammengekniffenen Augen stieß sie sich von der Wand ab und richtete ihren Blick auf die kleine Brünette, die sich an sie herangeschlichen hatte.
Schmal, schüchtern und mit blassem Gesicht stand sie da, in ihren zittrigen Händen die Pistole.
Ganz offensichtlich hatte sie dermaßen viel Schiss, dass sie wahrscheinlich zusammengezuckt wäre, wenn jemand zu laut geniest hätte.
Finster schaute Nia zwischen den beiden Hausbewohnern hin und her.
»Wer zum Teufel ist das?«
Die Frage war an Reilly gerichtet, auch wenn sie weiterhin die Frau im Blick behielt – nur für den Fall, dass die beiden lediglich eine raffinierte Show abzogen. Doch eigentlich wusste sie es besser. So gut konnte einfach niemand schauspielern.
»Das ist meine Freundin Hope«, antwortete er mit sanfter Stimme, als würde er einem tollwütigen Hund gut zureden wollen.
Die Worte trafen sie wie ein Vorschlaghammer.
Hope …
»Hope Carson?«, brachte sie mühsam hervor.
Sie musste die Frau nur kurz angucken, um die Antwort zu kennen.
Und sie hätte sich am liebsten selbst in den Hintern getreten, so sehr schämte sie sich auf einmal.
Wir haben zwei kaltblütige Mörder in der Stadt – einen Mann namens Law Reilly und seine Geliebte, Hope Carson. Ein schönes Pärchen – blutrünstige Gewaltmenschen, alle beide.
Diese tratschsüchtige, hinterhältige alte Schachtel …
Die Frau schaute erst Reilly an, dann zu Nia herüber. »Ja, ich bin Hope Carson.«
Nia schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und lachte vor Verbitterung laut auf. Der Sheriff hatte sie gewarnt. Das musste sie ihm zugestehen. Er hatte versucht, sie zu warnen.
»Diese verrückte alte Ziege«, murmelte sie vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Diese durchgeknallte, wahnsinnige alte Kuh.«
Tränen stiegen in ihr auf, trübten ihren Blick und nahmen ihr die Luft zum Atmen. Ihre Augen brannten. Doch sie würde nicht weinen.
Joely hatte mehr verdient als ihre Tränen. Sie verdiente Gerechtigkeit. Verdiente es, dass ihr Mörder endlich gefasst wurde.
Nia versuchte sich zu sammeln, damit sie nicht mehr Gefahr lief, in Tränen auszubrechen, holte tief Luft, dann noch einmal und noch einmal. Schließlich öffnete sie die Augen und zwang sich, Law Reilly in die Augen zu schauen.
In seinem Blick lag eine befremdliche Mischung aus Mitgefühl und Verständnis. Als würde er viele der Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten, nur allzu gut kennen.
Anders verhielt es sich bei der Frau. Hope starrte Nia an, als wäre diese eine tickende Zeitbombe.
Du hast ja keine Ahnung, wie recht du damit
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