Stille Kuesse sind tief
der ganzen Sache raushalten.“ Vielleicht waren es die Margaritas, die ihre Wirkung zeigten, vielleicht auch die Tatsache, dass sie ihren Freundinnen vertraute. Auf jeden Fall holte sie tief Luft und sprach die schmerzhafte Wahrheit aus. „Meine Eltern haben sich nie geliebt. Meine Mom wurde schwanger, als sie gerade angefangen hatten, zusammen auszugehen, also haben sie geheiratet. Sie sind niemals glücklich gewesen, und sie haben ganz offen ausgesprochen, dass ich für sie nur eine unnötige Komplikation dargestellt habe. Ich habe mich bemüht, eine ganz brave und vollkommene Tochter zu sein, aber keiner von beiden hatte auch nur das geringste Interesse daran, ein Kind großzuziehen.“
Sie blickte zu Heidi. „Ich beneide dich um die Art, wie du aufgewachsen bist.“
Heidi sah überrascht aus. „Immer auf Achse sein zu müssen? Niemals ein Heim ohne Räder zu haben?“
„Nein, inmitten einer Gruppe von Menschen aufzuwachsen, die dich geliebt und sich um dich gekümmert haben. Das habe ich mir immer gewünscht, aber nie bekommen. Natürlich hatte ich Freunde, aber keinen Ort, wo ich mich wirklich geborgen gefühlt habe. Später entpuppten sich meine Beziehungen als eine Katastrophe nach der nächsten. Als ich dann Lewis traf, dachte ich, er wäre der Richtige.“
„Das ist dein Exmann, oder?“, hakte Charlie nach.
Annabelle nickte. „Er ist Schriftsteller, daher dachte ich, wow, wie kreativ. Er ist ein wenig älter, was ich wohl mit Sicherheit gleichgesetzt habe. Wie sich dann herausstellte, war er eigentlich nie an mir als Person interessiert. Es war eher das, was ich repräsentierte. Er wollte mich kontrollieren. Emotional, meine ich. Er hat mich nicht geschlagen oder so.“
„Manchmal sind Schläge sogar leichter zu ertragen“, sagte Charlie leise. „Solche Psychospiele können auch sehr verletzend sein.“
„Das ist mir inzwischen auch bewusst geworden. Lewis hat mich als sein Eigentum, nicht als eigenständige Persönlichkeit angesehen. Es hat lange gedauert, ehe ich verstanden habe, dass es völlig okay war, unglücklich zu sein, und noch länger, bis ich endlich gegangen bin. Aber ich bin der Beziehung entkommen, habe Fool ʼ s Gold gefunden, und jetzt habe ich ein Heim.“ Sie schniefte. „Ich schwöre, ich werde nicht anfangen zu heulen.“
In Heidis Augen schimmerten bereits die Tränen. „Kannst du ruhig, ist schon okay.“
„Nein, ist es nicht“, grummelte Charlie. „Hört auf. Sie ist hier, ihr geht es gut, sie hat Sex mit Shane. Wo ist der Haken?“
Annabelle grinste. „Ich hab ʼ s dir doch schon gesagt. Das mit dem Sex war eine einmalige Angelegenheit. Ich werde mich nicht in einen Typen verlieben, der mich nicht versteht – und der nicht an einer ernsthaften und leidenschaftlichen Beziehung interessiert ist.“
„Das glaube ich dir sogar. Was ich allerdings nicht glaube, ist, dass ihr nicht wieder miteinander schlaft. Das behaupten immer alle. Was das angeht, glaubt dir sowieso keiner, also kannst du es genauso gut akzeptieren.“
Heidi zuckte mit den Schultern. „Irgendwie hat sie recht. Ich geh auch davon aus, dass ihr es wieder miteinander treibt. Die Stryker-Brüder sind nun mal ziemlich unwiderstehlich.“
„Ihr werdet schon sehen“, widersprach Annabelle und reckte das Kinn. „Ich bin wild entschlossen und bleibe hart.“
Charlie sah zu Heidi. „Ich wette zwanzig Dollar, dass sie nicht mal eine Woche durchhält.“
Heidi griff nach ihrem Glas. „Tut mir leid, dagegen wette ich im Leben nicht!“
„Wenn du das irgendjemandem erzählst, gibt es Ärger“, murmelte Shane, während er Reno in Richtung Stall führte.
„Ich nehme mal an, dass du mit ihm sprichst“, sagte Charlie. „Denn solltest du mit mir reden, hast du recht. Dann gibt es definitiv Ärger.“
Shane überlegte, ob der Tag besser werden würde, wenn er ein paar Mal mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Jetzt wurde er schon von einer Frau bedroht. Das war wirklich der Tiefpunkt in seinem Leben, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass es noch schlimmer kommen könnte.
Charlie war groß, nur wenige Zentimeter kleiner als er, und kräftig. Sie hatte ziemlich ausgeprägte Muskeln. Trotzdem wusste er, dass er schwerer und definitiv stärker war als sie. Allerdings war sie eine Frau, was bedeutete, dass sie jeden Kampf gewinnen würde. Schließlich würde er niemals zurückschlagen. So war er nun einmal erzogen worden.
Das Pony trottete ruhig und neugierig neben ihm her. Bisher war das
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