Stille mein Sehnen
konnte. Er ging ihr unter die Haut, berührte etwas in ihr, das sie nicht benennen konnte. In seinen Armen würde sie sich verlieren, ihre Vorsätze erneut verraten und alles mit sich machen lassen, für einen Augenblick des Glücks.
Unverbindlicher Sex war das Einzige, was sie in Zukunft zulassen wollte. Die Sehnsucht nach Lustschmerz konnte sie mit Janettes oder Aidans Hilfe ausleben, und für das andere würde sich bestimmt ein netter Vanillamann finden lassen.
Faith glitt in das herrlich warme Wasser und entspannte ihre Muskeln. Sie würde keinen Mann nahe genug an sich heranlassen, dass er ihr das Herz brechen konnte – auch Luca nicht.
Erleichtert seufzte sie. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Das Chaos in ihrem Kopf beruhigte sich, die quälenden Bilder verblassten. Nichts und niemand würde sie von diesem Entschluss abbringen. Die masochistische Lust würde sie in Spielen ausleben und ein ruhiges Leben führen, ohne Verpflichtungen, ohne Bindungen, ohne Gefühle zu investieren.
Männer taten das seit Jahrhunderten. Aidan lebte auf diese Art. Warum nicht sie? Heute Nacht würde sie ihn um eine Session bitten, um Schmerz zu erleben und ihre Grenzen zu sensibilisieren. Wäre doch gelacht, wenn sie die Vergangenheit nicht bewältigen konnte! Sie war stark!
Seit geraumer Zeit starrte Bill in das Glas und ließ die bernsteinfarbene Flüssigkeit darin kreisen. Das Eis war längst geschmolzen, der Whisky warm und schal.
Sie war weg – für immer verloren –, und er fühlte nichts.
Am Morgen hatte er hinter den Gardinen gestanden und beobachtet, wie Faith mit den zwei Taschen ins Taxi gestiegen war. Auch da war nichts als Leere in ihm gewesen – kein Schmerz, kein Sehnen, keine Wut. Abermals dachte er an das Gespräch mit ihr zurück und verstand nicht, warum er hatte laut werden müssen. Es war nicht seine Art, aus der Haut zu fahren und zu schreien. Ja, er hatte ihr wehtun wollen, genauso, wie sie ihm wehtat, indem sie ihn nicht liebte. Jedes Mal, sobald er in Gedanken an diesem Punkt anlangte, war Leere in ihm. Als würde sein Verstand blockieren und weitere Überlegungen nicht zulassen. Sein Herz begann wild zu schlagen, die Handflächen wurden feucht, und hinter den Augen erwachte ein pochender Schmerz.
Die Session … Bill stellte das Glas ab und verbarg das Gesicht in den Händen. Er seufzte gequält, wollte die Bilder verdrängen – sie kamen dennoch. Janette, das Stöhnen, Janette, der Geruch des Leders, Janette … In seiner Hose regte sich etwas. Ihm wurde schlecht.
Jetzt, da Faith aus seinem Leben verschwunden war, konnte er nicht mehr in den Club gehen und vorgeben, sie verstehen zu wollen. Er konnte nicht mehr zusehen, nicht mehr den Duft von Wollust und Macht atmen, keinen strengen Blick eines Masters erhaschen. Er konnte Janette nie wieder beobachten.
„Ich hasse dich, Faith“, schrie er. Sie war an allem schuld! Sie war es, die dieses Übel in sein Haus gebracht, ihn damit infiziert hatte. Es war ihre Welt, nicht seine!
Heiße Tränen der Selbstverachtung brannten ihm in den Augen. Er ließ sie nicht zu. Es war gut, dass Faith weg war. Jetzt konnte er sein Leben so leben, wie es richtig war: In die Praxis gehen, Menschen helfen, abends ein gutes Essen, ein Glas Whisky, vielleicht eine Zigarre mit Freunden im Arts Club mit kultivierten Gesprächen – das war seine Welt!
Bill schrak hoch und keuchte schmerzhaft. Sein Nacken war verkrampft, und einer seiner Arme kribbelte. Er war tatsächlich in dieser unmöglichen Sitzposition eingeschlafen. Blinzelnd sah er zur Uhr auf dem Kaminsims: Viertel vor vier. Wollte er pünktlich im Club sein und vorher duschen, musste er sich beeilen.
Faith stand hinter der Bar, als Bill den Delicious Club betrat. Ihre Blicke trafen sich sofort. Er sah, wie sie tief Luft holte, ihn anstarrte und mit leicht geöffnetem Mund mitten in der Bewegung verharrte. Er wollte zu ihr, sich für seine Worte entschuldigen und sie in die Arme schließen. Stattdessen stand er da und starrte sie an.
„Ich wusste nicht, ob du wirklich kommen würdest“, hörte er Aidan sagen, der wie aus dem nichts plötzlich vor ihm stand und ihn mit der typisch ausdruckslosen Miene ansah.
„Was willst du von mir? Warum hast du mich herbestellt?“
„Komm mit!“
Aidan drehte sich um und ging. Wollte Bill kein Aufsehen erregen, hatte er zwei Möglichkeiten: zu folgen oder zu gehen. Lieber wäre ihm gewesen, ihn anzuschreien, in den Hintern zu treten, irgendetwas, das
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