Stille meine Sehnsucht, Geliebter!
werden.
Selbst wenn sie beide Schuhe verloren hätte, wäre sie nicht stehen geblieben.
Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass der Bruder des Prinzen sich ihr in den Weg stellen würde. „Darf man wissen, wohin du so schnell rennst?“, fragte Santo mit einem trügerischen Lächeln und baute sich vor ihr auf.
„Zur Villa“, antwortete Laurel abweisend. „Nicht, dass es dich etwas angehen würde.“
„Und ob mich das etwas angeht – solange du weiterhin meinen Bruder verletzt.“
„Dein Bruder ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen“, schnappte sie ärgerlich zurück.
„Deine Anwesenheit richtet nur Chaos an.“ Santo sah sie mit einer Mischung aus Angetrunkenheit und Zorn an. „Und lass dir eines gesagt sein, Laurel – wenn du meinem Bruder noch einmal wehtust, zerquetsche ich dich wie eine Wanze, capito ?“
„Tu non capisci niente“ , kam es ihr auf Italienisch über die Lippen. Sie hielt seinem Blick eisern stand, nicht gewillt, sich einschüchtern zu lassen. „Du verstehst rein gar nichts, Santo.“
Verletze meinen Bruder noch einmal …
Dass Cristiano sie verletzt haben könnte, kam offensichtlich niemandem in den Sinn.
Laurel schob sich kurzerhand an Santo vorbei und flog förmlich die Stufen hinunter. Mittlerweile war die Dunkelheit vollends hereingebrochen, und nur die kleinen Solarlampen, die wie unzählige Glühwürmchen den Weg säumten, gaben ihr einen Hinweis darauf, wohin sie die Füße setzen musste. Erst, als sie ein beklemmendes Engegefühl im Brustkorb spürte, verlangsamte sie ihren Schritt. Die Musik von der Terrasse wehte nur noch leise herüber und wurde allmählich übertönt durch das sanfte Plätschern der Wellen. Sie streifte sich ermattet die Sandaletten ab, um den weichen Sand unter den Füßen zu spüren.
Ich bin hier ungefähr genauso erwünscht wie ein tödlicher Virus auf einer Kinderparty, dachte sie verzweifelt. Warum bin ich bloß gekommen?
Wegen ihrer besten Freundin. Aber höchstwahrscheinlich würde auch Dani sich von ihr abwenden, wenn sie erst einmal realisierte, dass die Beziehung zwischen Cristiano und ihr definitiv vorbei war.
Zutiefst deprimiert von diesem Gedanken warf Laurel Handtasche und Sandaletten zu Boden, ließ sich in den Sand sinken und schlang die Arme um ihre Knie.
Obwohl sie sich bemühte, tief und langsam zu atmen, wollte das beklemmende Gefühl in ihrer Brust nicht verschwinden. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie fast regungslos dort gesessen und durch einen Schleier von Tränen auf das dunkle weite Meer gestarrt hatte. Doch sie spürte sofort, als plötzlich jemand neben ihr stand.
Wieso besaß er nicht das nötige Feingefühl, um zu merken, dass sie allein sein wollte? „Geh zurück zur Party, Cristiano“, sagte sie und hob müde den Kopf. „Es gibt nichts mehr zu sagen.“ Seine Gesichtszüge wirkten in dem schwachen Mondlicht noch markanter als üblich.
„Doch, das gibt es. Ich möchte über das Baby reden.“
Er hatte sich das Schlimmste also bis zum Schluss aufbewahrt. „Aber ich nicht“, presste sie hervor.
„Ich weiß. Und das ist auch der Grund, warum wir uns jetzt in dieser ausweglos scheinenden Situation befinden.“
Selbst jetzt, wo er das sensibelste aller Themen anschnitt, wies seine Körpersprache keinen Deut von Unsicherheit auf. Er erinnerte vielmehr an einen der unzähligen Eroberer, die im Verlauf von Siziliens turbulenter jahrtausendelanger Geschichte die Insel geplündert hatten.
Breitbeinig stand er da, eine Hand lässig in der Hosentasche seines Maßanzugs, ungeachtet der Tatsache, dass der Sand seine eleganten Designerschuhe ruinieren könnte. Laurel kannte diese Körperhaltung und diesen Gesichtsausdruck nur zu gut. Von den stolz gestrafften Schultern bis hin zu seinen feurig funkelnden Augen – alles deutete auf Kampfbereitschaft hin. Und er würde nicht aufgeben, bis er sein Gegenüber bezwungen hatte.
Obwohl diese Seite an ihm Laurel manchmal zur Weißglut brachte, kam sie nicht umhin, ihn ein wenig für seine wilde Entschlossenheit zu bewundern.
Einst hatte sie seine raue Männlichkeit sogar anziehend gefunden …
Schlag dir diese dummen Gedanken aus dem Kopf, ermahnte sie sich.
„Du willst also über das Baby reden?“, fragte sie herausfordernd. „In Ordnung – dann lass uns reden. Ich war in der zehnten Schwangerschaftswoche. Und dann bekam ich schlagartig starke Unterleibskrämpfe. Du warst auf Geschäftsreise in der Karibik. Ich habe dich angerufen, aber du
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