Stille Sehnsucht
zum Fahrstuhl, dessen Türen sich gerade hinter einer Frau schlossen, die er selbst zwar nicht als Amazone betitelt hätte, aber den Rest der Schwärmerei von den Cops konnte Niko gut verstehen. Grace Maguire war schön. Nicht auf die typische Modelart, mit blonden Haaren und blauen Augen, wie es vielen Männern gefiel, sondern fraulich schön. Niko konnte nicht anders, als sie anzusehen, während Maguire den Gang entlang in seine Richtung kam.
Tylers Partnerin war klein, hatte hübsche Rundungen an genau den richtigen Stellen, einen nach oben gegelten Kurzhaarschnitt und die eindrucksvollsten Augen, die er je gesehen hatte. Dunkles Braun, beinahe schon schwarz. Mit sehr langen Wimpern und einem Blick, der eindeutig besagte 'Leg dich nicht mit mir an.' Tja, was das anging, hatte sie Pech, denn Niko würde genau das tun, sobald er Tyler in die Finger bekam.
Niko setzte ein herausforderndes Lächeln auf, als ihre Blicke sich trafen. Graces Antwort war ein Stirnrunzeln, das ihn wiederum irritierte, weil sie ihn dabei ganz genau in Augenschein nahm, so als wüsste sie nicht, wer er war. Niko stutzte etwas. Hatte Tyler ihr nichts erzählt? Aber wie sollte das gehen? Die beiden arbeiteten zusammen.
„Grace.“
Tylers freudige Stimme lenkte Maguire genauso ab wie ihn. Niko wurde eiskalt, während er beobachtete, wie Tyler aus dem Fahrstuhl kam und mit langen Schritten zu Maguire aufschloss. Tyler lächelte zwar nicht, aber der warme Ausdruck in seinen blauen Augen sprach für Niko Bände, als Tyler sich kurz mit Grace unterhielt und sie danach in die Arme schloss.
Das musste ein Albtraum sein. Wahrscheinlich schlief Niko noch und bildete sich alles nur ein. Das würde Tyler ihm nicht so offensichtlich antun, nicht nachdem, was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen gewesen war. Andererseits, was war da schon gewesen? Tyler hatte ihn wütend gemacht und damit aus einem Tief geholt, mehr nicht. Sie hatten sich nichts versprochen. Gar nichts.
Und das würden sie auch niemals tun, es war Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen.
Als Maguire Tyler vertraut anlächelte und ihm nach einem gemurmelten Spruch lachend in die Seite boxte, presste Niko seine Zähne so heftig aufeinander, dass sein Kiefer anfing zu schmerzen. Er hätte niemals mit diesem verlogenen Dreckskerl ins Bett steigen sollen. Ein Fehler, den er nicht mehr korrigieren konnte, aber er würde ihn auch nicht wiederholen. Nie mehr. Stattdessen würde er Tyler aus seinem Gedächtnis streichen. Für immer.
Niko stieß sich von der Wand ab und registrierte aus den Augenwinkeln, dass sich die Tür von Noahs Zimmer öffnete. Wer dann hinter ihm in den Flur trat, sah Niko allerdings nicht mehr, denn sein Blick war stur auf Tyler gerichtet, während er zu ihm und Maguire ging. Er warf der Frau ein Lächeln zu, das so kalt war, dass es keinen Zweifel darüber zuließ, wie es in Wirklichkeit gemeint war, bevor er Tyler angrinste.
„Viel Spaß, Bulle. Ich hatte ihn jedenfalls.“
Tyler begriff sofort, was er damit meinte. „Es ist nicht, wie du denkst“, sagte er leise und machte es damit nur noch schlimmer.
Niko schnaubte herablassend. „Wie lustig. Das sagen immer genau diejenigen, die Dreck am Stecken haben.“ Er trat dicht an Tyler heran, um es den Lauschern hinter ihnen schwer zu machen. „Wirf du mir noch einmal vor, etwas mit einem anderen Mann am Laufen zu haben, du mieser Drecksack.“ Tyler hielt ihn am Arm zurück, als Niko an ihm und Maguire vorbei wollte. „Lass mich los oder ich mache dir hier und jetzt eine Szene, die du nie wieder vergessen wirst!“
„Niko, ich habe dich nicht belogen.“ Tyler ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. „Wir klären das später.“
Niko lachte hämisch und schüttelte dabei den Kopf. „Nein, werden wir nicht.“
„Niko...“
„Wir sind fertig, Detective!“
Niko verschwand wutentbrannt im Treppenhaus. Das leise und hörbar verblüffte „Hast du es ihm denn nicht gesagt?“ von Maguire, verdrängte Niko einfach, während er mit schnellen Schritten das Krankenhaus verließ, sich ein Taxi nahm und zurück ins Hotel fuhr.
Da war er am frühen Abend immer noch und starrte die Flasche Glenfiddich Whiskey an, die er sich gleich bei seinem Eintreffen vom Hotel hatte organisieren lassen, um sich gepflegt zu betrinken. Getan hatte Niko es nicht, auch wenn er immer noch darüber nachdachte. Aber die Angst wieder die Kontrolle zu verlieren, so wie im letzten Jahr, war einfach zu groß.
Stattdessen starrte
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