Stille Sehnsucht
er seit Stunden die Flasche an, die ihn auszulachen schien, weil er insgeheim immer noch darauf wartete, dass Tyler sich meldete. Wie er es bereits den ganzen Tag über tat. Doch es schien, als wäre Tylers 'Es ist nicht, wie du denkst.' genau das, was er dachte.
Niko sah zur Tür, als es klopfte. Das vierte Mal, seit er aus dem Krankenhaus verschwunden war. Er ignorierte Mikaels besorgte Frage, ob er da war. Genauso wie er das achte Piepen seines Handys ignorierte, das den Eingang einer neuen Nachricht preisgab. Wie oft es in den letzten Stunden geklingelt hatte, konnte Niko nicht mehr sagen. Nach dem zehnten Mal hatte er aufgehört mitzuzählen.
Anfangs hatte er hingesehen, in der Hoffnung Tylers Namen zu entdecken. Er hätte es besser wissen sollen.
Irgendwann war sein letzter Rest an Hoffnung in Wut und Trotz umgeschlagen. Wenn er wütend war, dann tat es nicht so weh. Wütend zu sein, machte es einfacher für ihn. So musste er sich wenigstens nicht mehr fragen, was das zwischen ihnen war oder vielleicht irgendwann hätte werden können.
Mit seiner Wut konnte Niko umgehen. Sie war ihm so vertraut, wie das Atmen. Er hatte sie perfektioniert. Vor Jahren schon. Gemeinsam mit Alex, um irgendwie über die Runden zu kommen. Wut und Widerstand waren die einzigen Gefühlsregungen, die ihr Vater verstanden hatte und mit denen sie sich gegen ihn behauptet hatten, bis es zum Eklat gekommen war.
„Vielleicht solltest du endlich aufhören, jedes Mal wie ein Feigling abzuhauen, wenn es Probleme gibt.“
Niko runzelte empört die Stirn. „Wenn du nur da bist, um mich zu beleidigen, kannst du mich mal gernhaben. Und jetzt hau ab.“
Mikael seufzte im Flur hörbar. „Niko, Tyler hat dir die Wahrheit gesagt.“
Sicher. Das taten Betrüger schließlich immer. „Pfft.“
„Er hat keine Beziehung mit Grace und das wüsstest du längst, wenn du nicht verschwunden wärst, sondern ihm erst mal zugehört hättest.“
Niko schwieg trotzig.
„Ich habe ihn gefragt und er hat mir erzählt, wie er zu Grace steht.“
Na toll. Mit seiner Familie redete Tyler, aber mit ihm selbst nicht. „Ist mir egal.“
„Lügner“, konterte sein Bruder trocken, worauf Niko der Tür beleidigt die Zunge rausstreckte.
Er würde nicht nachgeben. Der Bulle hatte genug Zeit gehabt. Den ganzen Tag hatte Niko gewartet, obwohl er es nicht zugeben würde. Aber er hatte gewartet und auch gehofft. Auf einen Anruf, eine Nachricht, irgendetwas. Und was war passiert? Gar nichts.
„Verschwinde einfach, Mik. Das kannst du schließlich genauso gut wie Tyler“, knurrte er und starrte wieder auf die Whiskeyflasche.
„Was soll denn das jetzt heißen?“
„Ich sag' nur Australien.“
Mikael schnappte entrüstet nach Luft und murmelte einen Fluch. „Verdammt, Niko Du bist schlimmer als ein Esel. Ich gehe. Ruf' mich an, wenn du vorhast, dich nicht mehr wie ein Kind zu benehmen.“
„Dann geh' doch! Hau ab und lass mich in Ruhe“, rief Niko und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „Ich brauch' dich nicht. Und deine Ratschläge brauche ich auch nicht.“
„Was du brauchst, ist ein ordentlicher Tritt in deinen sturen Hintern und den verpasse ich dir auch, sobald ich dich in die Finger kriege, verlass' dich drauf.“
„Mik, das bringt doch nichts“, hörte Niko Colin leise sagen, was ihn noch mehr auf die Palme brachte. Jetzt kamen sie schon zu zweit, um ihm Vorwürfe zu machen.
„Wieso muss er immer so stur sein? Tyler hat nicht...“
„Lass ihn das selbst klären, er ist alt genug und Tyler hat die Geduld dafür, du nicht.“
„Wie soll man da auch geduldig sein, wenn er so einen Blödsinn redet? Colin, hör' auf zu grinsen. Ich mache mir Sorgen und du grinst?“
„Du gluckst.“
„Genauso wie du“, murrte Mikael, was Niko ungewollt schmunzeln ließ.
Colin lachte. „Ich weiß. Und jetzt lass uns etwas essen gehen. Er kriegt sich schon wieder ein.“
„Ich will doch nur...“
„Helfen, ich weiß. Das will ich auch. Aber er ist eben noch nicht so weit.“
Mikael seufzte resignierend. „Warum besteht unsere gesamte Familie eigentlich nur aus Dickschädeln?“
„Weil unser Leben ohne sie ziemlich langweilig wäre“, antwortete Colin amüsiert und Mikael gluckste.
„Ich hätte bedeutend weniger graue Haare.“
„Alles hat seinen Preis“, sagte Colin lässig und Mikael lachte. „Niko? Wir lieben dich, obwohl du ein Sturkopf bist. Willst du nicht mitkommen? Was essen und danach ins Kino?“
Das Angebot war
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