Stille Sehnsucht
seinen Armen. „Du kommst mit.“
Den Teufel würde er tun, dachte Niko stinksauer. Sein Vater hatte offenbar den Verstand verloren, ihm nach den Typen letzte Nacht, jetzt auch noch drei Schläger auf den Hals zu schicken. Er begann sich aus Leibeskräften zu wehren, was bei Muskelbergen wie den drei Männern hier zwar witzlos war, aber im Hotel war man längst auf die Situation aufmerksam geworden. Er musste die Kerle nur lange genug beschäftigen, bis Hilfe kam. Hoffentlich kam sie bald.
„Polizei! Lassen Sie den Mann los!“
Tyler. Gott sei Dank.
Niko konnte kaum blinzeln, so schnell war er frei und nutzte die Möglichkeit umgehend, um zurückzuweichen. Tyler trat neben ihn, die Waffe in einer Hand, und schob ihn mit der freien Hand hinter sich, während er die drei Männer im Blick behielt.
„Dich schickt der Himmel“, murmelte Niko leise und nickte, als Tyler ihm einen schnellen Seitenblick zuwarf. „Mir geht’s gut.“
Tyler nickte, zum Zeichen, dass er verstanden hatte, bevor er sich an die Männer wandte. „Und Sie sind wer?“
„Mein Name ist Kobalt. Ich arbeite für Mister Corvins Vater. Er hat Niko um ein Treffen gebeten.“
Gebeten? So nannte man eine Fastentführung heute also? Niko schnaubte. „Ich komme entweder zu meinen Bedingungen oder gar nicht. Sagen Sie ihm das!“
Es war unübersehbar, dass es den Männern gar nicht gefiel, mit leeren Händen kehrtmachen zu müssen, aber offenbar hatten sie Weisung, keinerlei Ärger zu machen. Tyler steckte seine Waffe weg, als die Männer sich ohne ein weiteres Wort zurückzogen und kurz darauf um die nächste Ecke verschwanden. In letzter Sekunde gerettet. Niko wollte seinen Bullen küssen, verschob die Idee aber sofort wieder, als er in Tylers Gesicht sah. Wut war nicht das richtige Wort für diesen Gesichtsausdruck, dem Niko sich jetzt gegenübersah.
„Ich schätze, du willst eine Erklärung?“
„Nein, ich hätte jetzt gern einen Kaffee.“ Tyler zischte einen saftigen Fluch, als Niko grinste. „Natürlich will ich eine Erklärung, du verdammter Sturschädel. Kein Vater schickt seinem eigenen Sohn erst zwei Entführer auf den Hals und keine zwölf Stunden später drei Schlägertypen hinterher, weil man sich nichts mehr zu sagen hat. Niko, was läuft wirklich zwischen dir und deinem Vater?“
Die Frage war mehr als berechtigt und Niko würde sie Tyler beantworten, nachdem er seinen Vater gesprochen hatte. Aber nicht persönlich. Nicht nach diesem Vorfall. Ein Anruf würde fürs Erste reichen müssen. „Er will mit mir reden, ich aber nicht mit ihm. Und da er mit einem 'Nein' nicht umgehen kann, versucht er es eben so.“
Tyler betrachtete ihn eine Weile und verschränkte am Ende die Arme vor der Brust. „Du hast nicht vor, deinem Bruder, Adrian oder mir heute die Wahrheit zu erzählen, oder?“
„Nein“, antwortete Niko ehrlich, kam aber nicht dazu, Tyler seine Beweggründe dafür zu erklären, denn der trat abrupt einen Schritt zurück.
„Wie schön. Wir erfahren also, was los ist, wenn dein Vater das nächste Mal mit seiner versuchten Entführung Erfolg hat. Stellst du dir das in etwa so vor?“
„Was? Nein! Ich wollte...“
„Jetzt reicht es!“, unterbrach Tyler ihn unwirsch. „Ich sehe mir das nicht mehr länger an. Du hast die Wahl, mir hier und sofort die ganze Geschichte zu erzählen, oder ich fahre ins Krankenhaus, schnappe mir deinen Bruder und sage ihm, was Sache ist.“
„Du weißt doch gar nicht, was Sache ist“, fluchte Niko und funkelte Tyler wütend an. Wie machte dieser Bulle das bloß immer? Ein Satz reichte aus und all seine guten Vorsätze waren hinüber. Stattdessen gifteten sie sich auf dem Bürgersteig vor einem Hotel an, und das mitten in Manhattan. Niko knirschte vor Wut mit den Zähnen und tippte sich vielsagend an die Stirn. „Ich erzähle dir hier überhaupt nichts, klar?“
Tyler wandte sich ab. „Gut, dann fahren wir woanders hin. Zu mir, zu dir oder doch lieber ins Krankenhaus, zu deinem Bruder?“
Niko hätte am liebsten einen Wutschrei losgelassen. Drehte sein Bulle jetzt völlig am Rad? Wie sollte er ihm von seinem Plan erzählen, wenn Tyler weder vernünftig zuhörte noch ihn ausreden ließ? Niko öffnete den Mund, um Tyler genau das an den Kopf zu werfen, als ihm auf einmal klar wurde, dass er selbst es genauso machte. Seit vielen Jahren schon. Scheiße. Niko machte auf dem Fuße kehrt.
Autoreifen quietschten, wütende Autofahrer hupten wie verrückt und schrien ihm
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