Stille Sehnsucht
Schimpfwörter hinterher, als Niko auf die andere Straßenseite wechselte, doch er kümmerte sich nicht darum, sondern rannte quer über die Central Park West in den Central Park, der dank der frühen Stunde beinahe menschenleer war. Das hätte für ihn ein Vorteil sein können, aber dafür hatte er sich den falschen Gegner ausgesucht, denn Tyler war schneller als er. Viel schneller. Niko hatte die zweite Baumlinie gerade erreicht, da riss Tyler ihn auch schon zu Boden.
„Hast du sie noch alle? Du wärst beinahe überfahren worden?“, schrie Tyler völlig außer sich und drehte ihm einen Arm auf den Rücken, um ihn am Boden zu halten, als Niko sich umdrehen wollte. „Ich stehe kurz davor, mich zu vergessen, also hältst du jetzt besser still, bevor ich dir wirklich eine Tracht Prügel verpasse. Was sollte dieser Blödsinn? Ich dachte, das hätten wir hinter uns. Soll ich das als pubertären Anfall zu meinen Akten legen oder wolltest du mal eben eine Runde Sport treiben?“
Bloß nichts sagen. Am besten hielt er den Mund und wartete, bis Tyler sich beruhigt hatte. Vielleicht war Niko bis dahin auch eine Erklärung dafür eingefallen, was er da eben für einen Schwachsinn veranstaltet hatte.
„Antworte!“
„Letzteres“, antwortete Niko patzig und biss sich vor Schreck auf die Zunge. Verdammter Mist. Wann würde er endlich lernen, den Mund zu halten? Oder wenigstens erst nachzudenken und dann zu reden?
Tyler löste sich von ihm und drehte ihn rabiat herum, um sich zu ihm hinunterzubeugen, bis sich ihre Nasen fast berührten. „Wärst du nicht der, der du bist, hättest du dir jetzt eine eingefangen. Wie kann man bloß ein so schönes Gesicht haben und gleichzeitig so dreist lügen?“
Niko starrte seinen Cop sprachlos an, bis sich dessen wütender Blick in einen verwunderten wandelte. Hatte Tyler gerade wirklich gesagt, dass er ihn schön fand? „Du findest mich schön?“, fragte Niko, obwohl er sich bei der Frage dämlich vorkam, aber er konnte nicht anders. „Das hast du eben gesagt, dass ich schön bin.“
Tyler blinzelte irritiert. „Was meinst...?“
Sie begriffen im selben Moment und Niko presste die Lippen fest aufeinander, bevor er zur Seite blickte. Noch peinlicher ging es nicht. Er würde überhaupt nichts mehr sagen. Kein einziges Wort. Und wenn sie den Rest ihres Lebens auf dem Boden im Central Park lagen. Er würde eher verhungern oder verdursten, als Tyler freiwillig zu bitten ihn loszulassen, der sich offenbar lieber eine Kugel in den Kopf jagte, als zuzugeben, dass er ihn attraktiv fand. Es war eben doch nur Sex. Sie hätten von Anfang an dabei bleiben sollen.
Tyler stand auf und zog ihn mit sich auf die Füße, um ihn zurück zum Hotel zu bringen. Da Tyler seinen Arm festhielt und Niko ihm keine Szene machen wollte, ging er wortlos mit. Tyler schwieg, während er ihn nach oben in sein Zimmer brachte. Dort ließ er ihn aber nicht allein, wie Niko es eigentlich erwartet hatte, sondern drängte ihn hinüber ins Badezimmer vor den Spiegel, der über dem Waschbecken hing.
„Was siehst du?“
Niko war irritiert genug, um zu antworten. „Uns?“
Tyler nickte. „Ich bin zweiundvierzig, was bei meinem Job ein Leben ist. Graue Haare, Falten, Augenringe und eine Nase, die so oft gebrochen war, dass ich aufgehört habe zu zählen.“ Tyler sah ihn durch den Spiegel an. „Ich bin ein Cop und das sieht man auch. Du willst wissen, ob ich dich schön finde? Sieh dich an, Niko, und dann sag' mir, warum ich dich nicht schön finden soll. Ich bin es garantiert nicht.“
Niko schnaubte. „Weißt du, wie oberflächlich das ist? Du bist acht Jahre älter als ich und wer von uns beiden lag eben keuchend im Central Park? Ich, nicht du. Du bist vielleicht nicht schön im herkömmlichen Sinne, und du bist eigentlich überhaupt nicht mein Typ. Aber weißt du, was mich am meisten an dir ärgert? Dass ich einfach nicht die Finger von dir lassen kann.“
„Willkommen im Club“, konterte Tyler und riss ihn herum, um seine Lippen in Beschlag zu nehmen und das mit einer Dringlichkeit, dass Niko am gesamten Körper eine Gänsehaut bekam. „Ich bin total verrückt nach dir“, zischte Tyler und packte ihn am Kragen seines Shirts, um ihn hinüber zum Bett zu zerren. „Und solange das so ist, gehörst du mir.“ Tyler stieß ihn aufs Bett und zog seine Jacke aus. „Keine Lügen mehr. Keine Ausflüchte. Ich bin es leid. Du wirst mir von deinem Vater erzählen, so wie du es versprochen hast.“
„Ich
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