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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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darauf folgenden Stunden brachte Max James die Grundzüge des Fliegenfischens bei. Er zeigte ihm, wie man die Angelschnur aufzog, den Köder befestigte und die Angel auswarf, indem man sie zuerst kurz über die Schultern schnippte und sie dann mit Schwung nach vorne sausen ließ, so als schlüge man mit einem Hammer einen Nagel in die Wand, und wie dann die Schnur übers Wasser schnellte und den Köder genau an die Stelle brachte, an der man ihn haben wollte.
    James machte es Spaß, die Angel auszuwerfen, aber er wurde ungeduldig, wenn nicht sofort ein Fisch anbiss. Einmal verspürte er einen Ruck an der Leine, verlor die Beute jedoch wieder. Max hatte noch weniger Erfolg als er.
    »Das ist so eine Sache mit dem Angeln.« Max setzte sich am Ufer nieder und zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche. »Man weiß nie, was als Nächstes passiert. Wenn man im Vorhinein genau wüsste, dass man einen Fisch fängt, wäre es sehr bald langweilig.«
    James war sich da nicht so sicher. Er fand es ziemlich frustrierend, nichts zu fangen. Er sah zu, wie Max sich eine Zigarette in den Mund steckte, sie anzündete und gierig den Rauch inhalierte Doch dessen zufriedenes Gesicht verzerrte sich gleich darauf und Max wurde von einem krampfartigen Husten geschüttelt, dass es James regelrecht schmerzte, es mit anzusehen. James fürchtete schon, der Husten würde nie aufhören, aber irgendwann kam Max zur Ruhe. Seine Augen tränten. Max wischte sich mit dem Taschentuch über die Lippen und betrachtete seine Zigarette mit dem Goldstreifen vor dem Filter. »Ich fürchte, diese Dinger tun meiner armen, alten Lunge nicht gerade gut«, sagte er mit heiserer Stimme.
    »Warum hörst du nicht auf damit?«, fragte James.
    Max räusperte sich. »Ja, warum eigentlich nicht? Nun, zum einen ist es dafür wohl schon zu spät, der Schaden ist bereits da und ich werde wohl eher früher als später daran sterben.« Er wurde von einem weiteren Hustenanfall gepeinigt. »Also kann ich … genauso gut … weitermachen und es genießen … solange es geht …«
    »Ich kann mir nicht vorstellen jemals zu rauchen«, sagte James.
    »Gut für dich …« Max rang nach Luft. »Das sind die Gewissheiten der Jugend. Weißt du, James, als ich jung war, hatte ich auch meine Überzeugungen, von denen einige, wenn man älter wird, leider in sich zusammenfallen. Das Leben hat die üble Angewohnheit, einen zu überlisten und so manchen Streich zu spielen. Ich habe während des Krieges mit dem Rauchen angefangen. Wir alle taten das; selbst wenn wir gewusst hätten, dass Rauchen tödlich ist, hätte es uns nicht weiter gekümmert, denn für uns gab es nur eine absolute Gewissheit: Wir würden in den Morastgräben des Schlachtfelds sterben. Der Tod war das Einzige, dessen wir uns sicher sein konnten.«
    James war froh, dass er den Krieg nicht miterlebt hatte. Er konnte sich nur schwer vorstellen, was es hieß, zu kämpfen und einen anderen Menschen zu töten, um nicht selbst getötet zu werden.
    »Vater hat nie vom Krieg gesprochen«, sagte er.
    »Keiner von uns hat das. Zu vergessen war das Beste. Für mich war die Sache ein wenig komplizierter. Ich durfte gar nicht darüber reden.« Max zog die Augenbrauen hoch und sah James an.
    »Was meinst du damit?«, fragte James.
    »Vieles von dem, was ich im Krieg tat, war geheim.«
    »Vater hat hin und wieder Andeutungen gemacht«, sagte James. »Mehr aber auch nicht.«
    »Ich nehme an, inzwischen kann ich ruhig offen zu dir sein. So viele Jahre lang musste ich es für mich behalten. Ich war das, was man wohl einen Spion nennt.«
    »Ein Spion?«, fragte James verblüfft. »Wie aufregend!«
    »Findest du? Wenn es aufregend ist, dass die Angst einem in den Eingeweiden wühlt, dann ja. Damals habe ich das nicht so empfunden. Damals hatte ich einfach nur Angst, morgens, mittags und abends. Sie haben mich in Frankreich angeworben. Ich war verwundet worden, nichts Ernstes, nur eine Kugel im Bein … hier.«
    Max rollte das Hosenbein hoch und zeigte James eine kleine, vernarbte Stelle oberhalb des Knies. »Ein glatter Durchschuss. Ich konnte allerdings einige Zeit nicht laufen. Im Krankenhaus traf ich einen Kerl und wir kamen ins Gespräch. Sie suchten jemanden, der fließend Deutsch sprach, und da ich vor dem Krieg in Deutschland gewesen war, beherrschte ich die Sprache noch recht gut.«
    Max war ganz in seine Gedanken versunken; er sah James nicht an, sondern starrte über den Fluss hinweg. Er schien mit sich selbst zu sprechen und

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