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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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James nahm an, dass sein Onkel bisher wohl noch nie darüber geredet hatte. Es war, als wollte er sich endlich von seinen Erinnerungen befreien, solange er noch Zeit dazu hatte. Er erzählte von den Einsatzbesprechungen und von seiner Beförderung in den Rang eines Hauptmanns, von Codes und Passwörtern, dem Einsatz von Giften und Nahkampftechniken. Er sprach von gefälschten Dokumenten und einem regelrechten Netz von Agenten. Und davon, wie er in einem Boot weit hinter die feindlichen Linien gelangte, wo er sich Herr Grumann nannte, der von Beruf Eisenbahner war, und so den gesamten gegnerischen Zugverkehr auskundschaften und an die eigenen Leute weiterleiten konnte. Er beschrieb die langen Tage und Wochen, in denen er sich als jemand anderer ausgab und insgeheim darum betete, nicht entdeckt zu werden, und dennoch Woche für Woche seine Berichte an seinen Verbindungsmann übergab, der diese dann nach Frankreich weiterleitete.
    Plötzlich hielt er inne. Er saß schweigend da und starrte ins Wasser.
    »Was passierte dann?«, fragte James nach einer Weile. »Haben sie dich geschnappt?«
    Max drehte sich zu ihm um. Er wirkte überrascht, so als hätte er James neben sich ganz vergessen.
    »Das ist eine andere Geschichte«, sagte er. »Ich erzähle sie dir ein andermal. Lass uns nach Hause gehen. Charmian wird sich schon fragen, wo wir abgeblieben sind.«
     
    Charmian servierte zum Mittagessen ein gebratenes Huhn. Dazu gab es gedünstete Karotten, Kartoffeln und frisch gepflücktes, knackiges Frühlingsgemüse. James genoss jeden einzelnen Bissen. Nach dem Fraß in Eton war es die reinste Delikatesse.
    »Weißt du irgendetwas von einem Jungen namens Alfie Kelly?«, fragte James seine Tante, als diese einen großen Apfelkuchen auf den Tisch stellte.
    »Eine schlimme Sache«, sagte Charmian und schnitt den Kuchen an. Es roch verführerisch nach Apfel, Zucker und Zimt.
    »Worum geht es denn?«, fragte Max. Er wirkte müde und schien beinahe am Tisch einzuschlafen.
    »Du kennst doch Annie Kellys Sohn. Ich habe dir von ihm erzählt. Der Junge ist etwa in James’ Alter. Er wird seit einiger Zeit vermisst.«
    »Ah ja, ich erinnere mich«, sagte Max. In sein Gesicht kam wieder etwas Leben und er richtete sich in seinem Stuhl auf. »Ich hab mich seinerzeit selbst ein wenig umgehört. Weißt du, er war ein leidenschaftlicher Angler. Halte immer nach verwandten Anglerseelen Ausschau, James. Im Dorf geht man davon aus, er sei beim Angeln in einen Fluss gefallen – was absolut lächerlich ist. Er kannte die Angelgründe wie seine Westentasche und wusste genau um die Gefahren. Und wo ist seine Ausrüstung abgeblieben? Man hat sie nicht gefunden. Gordon behauptet, Alfie sei nach Loch Silverfin aufgebrochen. Er sagt, er habe den Jungen kurz vor seinem Verschwinden in diese Richtung gehen sehen. Das ist merkwürdig, denn niemand aus Keithly lässt sich mehr dort blicken. Wenn ich in besserer Verfassung wäre, würde ich eine kleine Wanderung unternehmen und mich dort umschauen.«
    »Ist es nicht verboten, am Loch Silverfin zu angeln?«, fragte Charmian und reichte James seinen Teller.
    »Das stimmt«, sagte Max. »Ebendeshalb hat es den Jungen ja gereizt. Mein Gott, was gäbe ich dafür, noch einmal in dem See zu angeln. Man konnte sicher sein, den besten Fang zu erzielen. Inzwischen gefällt es mir dort nicht mehr. Merkwürdige Leute wohnen da. Wenn du mich fragst, führt dieser Lord Hellebore etwas im Schilde.«
    »Wie bitte?«, rief James und verschluckte sich fast an seinem Bissen. »Hast du gerade Lord Hellebore gesagt?«

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    L ord Randolph Hellebore«, erklärte Max, »ist der Besitzer des Schlosses und der dazugehörigen Ländereien.«
    »Sein Sohn ist in Eton«, sagte James.
    »Ja, das habe ich gehört. Kennst du ihn?«
    »Er ist ein paar Jahre älter als ich«, wich James aus, weil er nicht mehr dazu sagen wollte.
    »Recht interessante Angelegenheit«, sinnierte Max. »Als vor einigen Jahren der alte Gutsherr ohne einen Erben starb, ging das Anwesen an Randolph und seinen Bruder Algar über. Der Bruder kam kurz darauf ums Leben – bei einem Unfall, wie es hieß. Das Schloss war in einem sehr baufälligen Zustand, jede Menge Schulden lasteten darauf, daher ging man davon aus, dass Randolph es verkaufen würde. Doch zur allgemeinen Überraschung tauchte er eines Tages hier auf. Mit seiner amerikanischen Packen-wir’s-an-Mentalität machte er sich an die Arbeit. Er hat das alte Gemäuer sehr gut

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