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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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Dann krachte es fürchterlich. Kelly fluchte laut und dann stürzte er ab.
     

TEIL 3
    DAS SCHLOSS
     

 

Allein
    J ames stieg den Baum hinunter, so schnell er konnte, und betete im Stillen, dass seinem Freund nichts passiert war. Kelly war von Ast zu Ast immer weiter nach unten gestürzt, bevor es ihm gelang, sich an einem der untersten Äste festzuklammern. Dort blieb er einen Augenblick hängen und blickte hoch zu James, ehe ihn die Kraft verließ und er auf die Erde fiel, mitten in einen Abfallhaufen hinein.
    Bestimmt war er vor Angst fast gestorben und sicherlich hatte es höllisch wehgetan, als er gegen die Äste gekracht war und die Zweige ihn gepeitscht hatten, aber er hatte weder aufgeschrien noch sonst einen Laut von sich gegeben.
    James fragte sich, ob er an Kellys Stelle ebenso tapfer gewesen wäre. Gerade wollte er sich vom untersten Ast auf die Erde gleiten lassen, als Kelly ihn mit einer Geste daran hinderte.
    »Bleib, wo du bist!«, zischte er. »Du kommst sonst nie wieder da hoch.«
    »Bist du in Ordnung?«, fragte James so laut, wie er es wagen konnte.
    »Nein, natürlich nicht.« Kellys Kleider waren zerrissen, die Hände aufgeschürft, das Gesicht zerkratzt und an mehreren Stellen blutete er. »Ich fürchte, mein Bein ist gebrochen.«
    Unwillkürlich dachte James daran, wie sein Onkel Max von der Dachrinne gefallen war.
    »Ich komme runter«, sagte er.
    »Nein!«, protestierte Kelly. »Steig wieder hoch und mach weiter! Ich werde zu unserem Versteck humpeln und dort das Bein mit irgendetwas schienen. In weniger als einer Stunde bist du zurück. In der Zwischenzeit wird mir schon etwas einfallen, wie wir aus diesem Schlamassel wieder herauskommen.«
    »Soll ich das wirklich tun?«
    »Nun geh schon!« Kelly rutschte von dem Abfallhaufen herunter und kroch auf allen vieren zu dem leer stehenden Gebäude. James wartete so lange, bis Kelly dort angekommen war und er sicher sein konnte, dass niemand auf sie aufmerksam geworden war, dann machte er sich auf den Weg nach oben.
    Beim zweiten Mal ging es viel einfacher, und da James nun wusste, welche Äste ihn trugen und welche nicht, war er auch schneller. Bald war er weiter oben als beim ersten Mal, aber je höher er kletterte, desto schwieriger wurde es. Die Äste standen eng beieinander und waren gefährlich dünn. James musste seinen Weg mit Bedacht wählen.
    Er brach einige abgestorbene Zweige weg, die ihm im Weg standen, und spähte zwischen den Kiefernadelbüschen hindurch, um eine ungefähre Vorstellung davon zu bekommen, wie weit das Fenster weg war. Von unten hatte es ganz leicht ausgesehen, aber nun stellte er fest, dass das Gebäude viel weiter vom Baum entfernt war, als es den Anschein gehabt hatte. Und was wie starke Äste ausgesehen hatte, erwies sich nun als zu dünn und biegsam, um sein Gewicht zu tragen.
    Es blieb ihm nichts anderes übrig, als noch etwas höher zu klettern, um hoffentlich einen Ast zu finden, der sich zum Fenster hinunterbeugte.
    Also kletterte er weiter und fühlte sich dabei wie Jack aus dem Märchen, der an einer Bohnenstange in die Burg des Riesen klettert. Schließlich fand er einen Ast, der ihm geeignet schien. Er war in der Tat seine einzige Hoffnung, denn es war der letzte Ast, der so aussah, als könne er ihn tragen. James legte sich flach hin, umklammerte den Ast mit beiden Beinen und rutschte langsam vorwärts.
    Er blickte nach unten auf das schwarze Wasser, das so ruhig dalag, und malte sich aus, wie unter der Oberfläche die Aale geduldig lauerten und im stinkenden Schlamm am Grund ihre Mäuler aufsperrten. Sein einziger Trost war, dass, falls der Sturz ihn nicht gleich tötete, er doch bewusstlos werden würde und so wenigstens nicht merkte, wie er durch das trübe Wasser diesen schleimigen Mäulern entgegensank.
    Er fühlte sich plötzlich sehr einsam. Kelly konnte nicht zu Hilfe eilen, wenn er jetzt stürzte, und sonst wusste niemand, wo er war. Er war völlig allein.
    James zwang sich, nicht mehr auf das Wasser, sondern auf die Mauer vor ihm zu schauen. Der Ast beugte sich nun gefährlich nach unten und James kroch abwärts, der Spitze entgegen. Die Gefahr, vornüber abzurutschen und herunterzufallen, war groß. Am besten, er dachte nicht daran.
    Langsam hangelte er sich vorwärts. Das Schloss war noch sechs Fuß entfernt, noch fünf … noch vier … Der Ast schwankte beängstigend. James war klar, dass er jeden Augenblick abstürzen konnte.
    Er hielt inne.
    Die Mauer war noch drei Fuß weit

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