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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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gesehen hatte. Der merkwürdige Kerl murmelte leise vor sich hin und schien betrunken zu sein. Er torkelte beim Gehen mit seinen kurzen O-Beinen von einer Seite auf die andere. Aus der Nähe betrachtet, ähnelte er mehr denn je einem grotesken Affen.
    »Kommt her, ihr kleinen Schweinebacken«, sang er und bückte sich, um in den Verschlag zu gelangen, in dem die Tiere schliefen. Sofort begannen sie vor Furcht zu schreien und zu quieken. Der Mann tauchte wieder auf und hatte ein kleines, zappelndes Ferkel am Genick.
    Das Mutterschwein und zwei oder drei andere Ferkel aus dem Wurf machten einen fürchterlichen Lärm und wollten ihm nach draußen folgen.
    »Zurück mit euch«, schrie er und versetzte dem Schwein einen Tritt gegen den Kopf. Es quiekte und wich zurück. Aber der kleine Mann lachte und zielte nun auf eines der Ferkel. Er erwischte es mit der Stiefelspitze und schleuderte es quer durch den Pferch an die gegenüberliegende Wand, wo es liegen blieb. Der Mann wankte hinüber und hob es auf. Das Genick des Tieres war gebrochen. Er betrachtete es und leckte sich die Lippen.
    »Du wirst eine gute Mahlzeit abgeben, Kleiner«, lachte er in sich hinein. Er verließ den Pferch mit zwei kleinen Schweinen, eines tot, das andere höchst lebendig und zappelnd. Das Letzte, das James von ihm hörte, war ein Schwall wüster Flüche, die er über das lebende Ferkel ausstieß.
    Die Jungen warteten, bis sie sicher waren, dass der Mann nicht mehr zurückkam; dann sprangen sie auf und kletterten ohne weitere Zwischenfälle über die restlichen Pferche hinweg. Bald waren sie am Seeufer angelangt und blickten hinüber zur Insel mit dem Schloss.
    »Ich bin nicht scharf darauf, da durchzuschwimmen«, sagte Kelly und starrte unbehaglich auf das schwarze Wasser.
    »Ich auch nicht«, sagte James. »Mit diesen Aalen, die er hat, braucht Hellebore keine Wachhunde mehr.«
    »Kein Wort mehr von diesen verdammten Biestern«, sagte Kelly. »Solang ich lebe, möchte ich keines mehr sehen. Früher habe ich Aal in Gelee ganz gerne gegessen. Nie wieder.«
    »Schau mal«, sagte James. Er deutete mit dem Kopf in Richtung eines abgeschiedenen Uferstreifens, der von einem rostigen, löchrigen Hühnerzaun umgrenzt war. Der Platz sah aus wie eine Müllkippe; alte Schachteln, Blechdosen und Berge von verrottendem Papier lagen herum. In der Mitte der Abfallhalde stand die große, alte schottische Kiefer, die sie von der gegenüberliegenden Seite des Sees gesehen hatten. Sie sah krank aus und wirkte so, als ob sich niemand um sie kümmerte. Wahrscheinlich würde sie bald absterben.
    Hinter dem Baum stand ein zerfallenes Gebäude.
    »Was hältst du davon?«
    »Wir sollten mal nachsehen«, sagte Kelly.
    Sie rissen einen Teil des Hühnerzauns nieder und bahnten sich ihren Weg durch das Gerümpel bis zum Haus. Es war aus schmutzig roten Ziegelsteinen errichtet und mit Efeu und Moos überwuchert. Alle Fensterscheiben waren zersprungen und nur das unterste Stockwerk war noch heil. Die Tür war mit einem Vorhängeschloss gesichert, aber das Holz war so morsch, dass sie ohne Mühe die Schrauben mit ihrem Taschenmesser lösen konnten. Sie versuchten die Tür so leise wie möglich zu öffnen, aber die verrosteten Scharniere knirschten laut. Die beiden Jungen erstarrten, das Geräusch kam ihnen so laut vor wie eine Explosion. Nichts rührte sich, niemand kam, um nach dem Rechten zu sehen. Nur im Schloss erlosch ein weiteres Licht.
    Sie huschten schnell ins Innere. Der größte Teil des Dachs fehlte, aber in einer Ecke, in der Schachteln und leere Säcke lagen, bot es ein wenig Schutz. Ausrangierte Eisengeräte lagen herum, deren ursprünglichen Zweck James nicht einmal mehr erraten konnte, sowie anderer weggeworfener Müll.
    Sie nahmen einige der Schachteln und Säcke, um ein sicheres Versteck zu bauen. Als James eine alte Kiste mit zerbrochenen Flaschen anhob, entdeckte er am Boden eine hölzerne Falltür.
    Kelly half ihm genügend Zeug beiseite zu räumen, damit sie die Tür öffnen konnten, dann stiegen sie eine dunkle Steintreppe hinab.
    Da sie die Falltür über sich geschlossen hatten, holte James die Taschenlampe heraus und knipste sie an. Sie standen in einem verlassenen Keller. Er war sauber und trocken und, abgesehen von einem Regal mit leeren Glasflaschen und einer Reihe uralter Fässer, leer.
    »Bingo«, sagte Kelly. »Das ist perfekt. Hier machen wir es uns gemütlich. Wir holen Säcke als Betten und legen uns aufs Ohr, bis alle schlafen gegangen sind.

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