Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Deutsche Bahn bietet über das Internet jede Menge Grundstücke zum Verkauf an. Quer durch Deutschland und durch alle Preislagen.«
»Ist das Radieschenparadies dabei?«
»Nein.« Sie wartete seine Reaktion ab. Als sie seine Enttäuschung sah, boxte sie ihm gegen die Schulter. »Das Areal ist schon verkauft.«
»Was heißt das?«
»Das, was ich sage. Du findest noch das Exposé, aber es hat den Vermerk ›verkauft‹. Bevor ich es vergesse: Ich hab dir zu alldem Links auf die entsprechenden Internetseiten geschickt. Natürlich hab ich auch Ausdrucke.« Sie beugte sich zu ihrer Tasche und ließ einen Stapel Papier erscheinen, den sie auf den Schreibtisch packte. Stiller griff danach, aber sie legte ihre Hand darauf.
»Käufer ist eine Eisenbahnergenossenschaft mit Sitz in Aschaffenburg. Und da wird die Sache nebulös. Du findest über diese EG kaum was im Netz. Es sieht so aus, als wenn sie schon seit Jahren nicht mehr aktiv ist und gerade abgewickelt wird. Namen tauchen unter neuerem Datum überhaupt nicht mehr auf, nur eine Adresse. Das Ganze hat was von einer Briefkastenfirma.«
»Und unter älterem Datum?«
»Früher schon. Aber das ist über zehn Jahre her, und seitdem: Funkstille. Nach den Genossenschaftsstatuten hätte es längst schon diverse Vorstandswahlen oder Versammlungen geben müssen. Alles Fehlanzeige.«
Stiller grübelte. »Merkwürdig. Weshalb kauft eine Eisenbahnergenossenschaft, die praktisch nicht mehr existiert, das Gelände der Kleingartenanlage?«
»Vielleicht, um die Anlage zu erhalten. Nach dem, was du mir erzählt hast, war es ursprünglich mal eine reine Laubenkolonie für Eisenbahner. Interessant ist aber auch die Frage, woher das Geld kommt. Viele Genossen scheint es jedenfalls nicht mehr zu geben.«
Kerstins Worte ließen in Stillers Kopf etwas klingeln. Aber er kam nicht darauf, was es war. Er verfolgte einen anderen Gedanken. »Vielleicht ging es gar nicht darum, die Anlage zu erhalten, sondern genau ums Gegenteil. Hast du irgendetwas gefunden, ob die EG das Gelände ihrerseits verkaufen will? Zum Beispiel an einen Bauinvestor.«
»Denkst du an Vapore?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nichts. Keinerlei Aktivität in diese Richtung, ob Vapore oder andere. Das wäre übrigens auch eine echte Rosstäuschung. Die Bahn hat das Areal als ›Sondergebiet Kleingärten‹ verkauft und ausdrücklich festgehalten, dass es kein Baurecht gibt.«
Wieder massierte Stiller seine Schläfen. Nichts wollte passen. »Das ist nicht ganz korrekt«, klärte er Kerstin auf. »Nach meinen Informationen gibt es durchaus Baurecht. Es hat sich nur nie umsetzen lassen – und wird es wohl auch nicht mehr.«
Kerstin sah auf die Uhr. »Du, ich muss zurück. Ich denke, du kommst jetzt allein klar.«
Stiller verzog den Mund. »Um ehrlich zu sein: Ich sehe im Augenblick nur lose Fäden und hab keine Ahnung, wie sie zusammenpassen.«
»Nicht anders kenn ich dich.« Kerstin nahm ihre Tasche und verschwand eilig.
Stiller schaffte es gerade noch, ihr ein »Danke übrigens« nachzurufen, dann schnappte er sich den Papierstapel, den sie ihm hinterlassen hatte, und blätterte gedankenverloren darin herum.
Die Bahn hatte das Kleingartengelände verkauft. Hätte die Stadt in diesem Fall nicht eine Nachricht des Notars bekommen müssen? Oder galt das nicht, wenn eine Eisenbahnergenossenschaft als Käufer auftrat und das Areal sozusagen in der Familie blieb? Vielleicht gab es die Benachrichtigung sogar. Er hatte sich ja nur mit den Ex-Amtsleitern unterhalten, die von den aktuellen Vorgängen nichts wissen konnten. Wenn er darüber etwas erfahren wollte, musste er im Rathaus anrufen.
Stiller wandte sich dem Bildschirm zu und öffnete die Homepage der Stadt. Auf der Seite des Stadtbauamts entdeckte er keine Sparte, die zu passen schien. Er scrollte zum Liegenschaftsamt. Da er sich auch hier auf die verschiedenen Aufgabengebiete konzentrierte, hätte er den Namen fast übersehen: Graser. Graser war zuständig für das Sachgebiet »Bodenverkehr«.
Stiller verfluchte sich. Er hätte längst nachsehen müssen, welchen Job der gekündigte Kleingärtner in der Stadtverwaltung hatte. Er hob den Telefonhörer ab und tippte Grasers Nummer. Niemand meldete sich. Logisch, es war bereits nach fünf. Stiller warf den Hörer aufs Telefon, dachte kurz nach und hob dann wieder ab.
Diesmal hatte er mehr Glück, Mike Staab meldete sich nach dem zweiten Signal. Stiller grüßte kurz und fragte dann bündig: »Ist in euren
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