Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
auf.
»Einen seiner früheren Mitarbeiter. Graser. Er arbeitet heute im Liegenschaftsamt.«
»Worum ging es bei dem Telefonat?«
»Claudia hat mit Graser gesprochen. Er gibt an, Kempf hätte ihn häufig angerufen. Er war wohl mal sein Ausbilder in der Stadtverwaltung. Angeblich wollte er sich nur kurz melden, um einfach mal wieder eine menschliche Stimme zu hören. Die Kleingartenanlage sei kein Thema gewesen.«
»Haben sie sich verabredet?«
»Nein, laut Graser.«
»Hat er ein Alibi?
»Er sagt, er sei den ganzen Abend zu Hause gewesen. Hätte erst den ›Tatort‹ und dann die Talkrunde im Fernsehen angeschaut. Seine Frau bestätigt das. Claudia hat die Talkrunde ebenfalls gesehen und ein paar spezielle Fragen dazu gestellt. Graser wusste genau Bescheid.«
»Gut«, schaltete sich Possmann ein. »Sieht mir nicht danach aus, als ob es da eine Verbindung gäbe.«
»Dann geh ich mal.« Bühler löste sich von der Fensterbank. »Ich hab einen Sack voll Arbeit.«
»Moment«, sagte Strobel. »Hat Graser telefoniert, nachdem er den Anruf von Kempf bekommen hatte?«
Bühler zog die Mundwinkel hoch, er hatte die Frage offensichtlich erwartet. »Claudia hat das überprüft. Nein, kein Anruf, weder vom Festnetz noch vom Handy aus.«
»Lass ihn trotzdem vorladen«, sagte Strobel. »Irgendwas klemmt da. Kempf ruft einen früheren Mitarbeiter an, um eine menschliche Stimme zu hören. Und eine halbe Stunde später kehrt er zum zweiten Mal am selben Tag in einem der belebtesten Lokale ein.«
»Da saß er aber ganz für sich allein. Er hatte mit niemandem Kontakt.« Bühler zögerte. »Wobei er offensichtlich auf jemanden gewartet hat, zumindest auf einen Anruf, der aber nicht kam.«
»Ich sag ja, da klemmt was.« Strobel nahm sich insgeheim vor, seinem Junggesellendasein endgültig abzuschwören und Sabine einen Heiratsantrag zu machen, solange es noch nicht zu spät war. Auf keinen Fall wollte er so einsam enden wie dieser Kempf.
***
Fertig. Stiller klickte den Text vom Bildschirm, lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster. Staabs Wetterprognose war richtig gewesen, es regnete inzwischen in Strömen. Geistesabwesend griff er nach der Kaffeetasse, bemerkte, dass sie leer war, und stellte sie wieder zurück.
Er fühlte sich unwohl. Er hatte sich in seinem Bericht über den Mord an Kempf streng an die Fakten gehalten, die er am Tatort recherchiert oder in der Pressekonferenz erfahren hatte. Dabei spürte er, dass er den Lesern mehr zu berichten hatte. Er war sicher, dass es einen Zusammenhang geben musste zwischen seinem Besuch beim Frühschoppen und Kempfs Tod, zwischen den Morden in der Kleingartenanlage und im Schöntal.
Strobel hatte ihm versichert, allen Hinweisen nachzugehen, hatte aber auch seine Zweifel geäußert. Bis hin zur völlig unterschiedlichen Ausführung der beiden Taten fehle jeder Beleg dafür, dass sie etwas miteinander zu tun haben könnten.
Stiller riss sich aus seinen Gedanken. In wenigen Augenblicken würde Kerstin bei ihm hereinschneien, sie wartete nur darauf, dass er seinen Bericht abschloss. Es konnte nicht schaden, wenn er vorher Kaffee holte.
Er stieß mit ihr an seiner Bürotür zusammen, als er mit der Kanne und frischen Tassen aus der Küche zurückkam.
»Ach«, fauchte sie. »Wie reizend, dass ich nicht auch noch Kaffee kochen muss. Du scheinst mich neuerdings für deine Sekretärin zu halten.«
Er begrüßte sie mit einem fröhlichen »Hi«.
So leicht ließ sie sich nicht gnädig stimmen. »Ich hab extra deine Gartenlaube verkabelt, damit du selbst im Internet recherchieren kannst. Und? Hinterher muss ich es doch wieder machen.«
»Ich hatte mit dem Mord zu tun«, sagte Stiller. »Und du bist einfach fitter, wenn’s ums Internet geht.«
»Das«, sie fuchtelte mit dem Zeigefinger vor seiner Nase herum, »das ist ein echter Machospruch. Immer wenn ihr Männer euch vor etwas drücken wollt, sagt ihr, wir Frauen könnten das besser. Waschen, bügeln, putzen, googeln.«
Stiller räumte den Schreibtisch frei, indem er alles, was darauflag, in eine Ecke schob. Er zog Kerstin einen zweiten Stuhl heran und schenkte Kaffee ein.
»Trink erst mal.« Er reichte ihr eine Tasse.
Sie nahm die Tasse an und betrachtete ihn schon etwas friedlicher, während er sich mit Daumen und Mittelfinger die Schläfen massierte. »Immerhin, was die Bahn betrifft, hattest du einen ganz guten Riecher.«
Sofort ließ er die Hand sinken und hob den Blick. »Was hast du rausgekriegt?«
»Also: Die
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