Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
der Kleinschnitz auf die Brücke zur Klosterruine führte. Von dort aus konnte er Bilder schießen, ohne den abgesperrten Bereich zu betreten. Wenig später dirigierte der Beamte auch das Kamerateam des Lokalfernsehens dorthin.
»Zwei Morde in einer Woche, das gibt bundesweite Schlagzeilen«, sagte Staab. »Wir sperren gerade die Parkplätze an dieser Seite des Parks, falls Ü-Wagen kommen.«
Stiller zog ihn zur Seite. »Habt ihr schon was?«
»Du weißt, dass ich dir keine Auskünfte geben darf. Nach Mittag plant Strobel eine Pressekonferenz. Für alle.«
»Ach komm«, bettelte Stiller. »Gib mir einen kleinen Heimvorteil. Die Fernsehkarawane zieht morgen weiter. Ich bleibe.«
Staab sah sich um. »Du weißt, um wen es sich handelt?«
Stiller nickte.
»Der Fundort ist nicht der Tatort.«
»Das weiß ich auch schon. Ich bin ja nicht blind.«
»Der oder die Täter haben Kempf dort hinten erwischt.« Staab deutete an der Klosterruine vorbei zur Stadtmauer. »Er war keine fünfzig Meter mehr vom Tor weg. Durch diesen Seitenausgang wollte er vermutlich raus. Der Täter hat ihn dann siebzig Meter nach da geschleppt.« Staabs ausgestreckter Arm folgte der Mauer und beschrieb einen Winkel von neunzig Grad nach rechts. »Dort wurde er ins Gebüsch gestoßen. Er ist noch ein Stück den Hang zum Stadtgraben runtergerutscht und an einem Baumstamm liegen geblieben.«
»Tatwaffe?«
»Warum willst du nicht bis Nachmittag warten?«, seufzte Staab.
»Ob ich es jetzt erfahre oder später …«
»Eine Drahtschlinge. Der Täter hat ihn von hinten angegriffen. Kempf hatte keine Chance.«
»Habt ihr die Schlinge?«
Staab verneinte. »So dämlich sind die Mörder nicht mal in Aschaffenburg.«
»Danke.« Stiller packte Stift und Stenoblock weg. »Ich müsste übrigens dringend mit Strobel sprechen.« Er wies mit dem Kinn auf den Kommissar, der sich im weißen Dress nur durch seine Größe und die breiten Schultern von den anderen Spurensuchern unterschied.
»Da wirst du dich gedulden müssen«, erwiderte Staab. »Du siehst ja, er hat im Augenblick Wichtigeres zu tun.«
»Ich weiß nicht, was wichtiger ist.«
»Worum geht’s denn?« Staab klatschte in die Hände, als wolle er einen Schwarm Vögel verscheuchen. Das Klatschen galt einer Gruppe Schaulustiger, die so sehr gegen das Absperrband drängten, dass es zu reißen drohte.
»Ich habe mich gestern Mittag mit Kempf getroffen.«
Staab fuhr zurück. »Und das sagst du mir erst jetzt?«
Stiller hob entschuldigend die Hände. »Ich habe ihm Fragen gestellt, bei denen es um die Kleingartenanlage Radieschenparadies ging.«
»Was willst du damit sagen?« Staab kniff die Augen zusammen.
»Wär doch möglich, dass es einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden gibt.«
»Hm.« Staab klang wenig überzeugt. »Trotzdem musst du warten, bis Strobel und die Spusi fertig sind. Es sieht nach Regen aus, hinterher finden die nichts mehr.« Er schaute zum Himmel, wo von Westen her eine graue Wolkenbank aufzog. »Was hast eigentlich du gestern Abend gemacht?«
»Fragst du mich nach einem Alibi?« Stiller sah Staab ungläubig an.
»Na, wer kommt denn hier anspaziert, hört mich erst aus und erzählt mir dann beiläufig, dass er sich gestern noch mit dem Mann getroffen hat, der heute tot im Stadtgraben liegt?«
»Ich bin gestern Abend mit Kopfschmerzen auf der Couch gelegen und hab mir den ›Tatort‹ angesehen.«
»Zeugen?«
»Drei: Ruth und die Kinder.« Stiller grinste. »Außerdem Charlottes neuer Freund. Der ist aber nur schüchtern durchs Wohnzimmer geflitzt, keine Ahnung, ob er mich gesehen hat.«
»Bist du nach dem ›Tatort‹ noch einmal aus dem Haus?«
Stiller schüttelte den Kopf. »Talkrunde.«
»Und danach?«
»Mein lieber Mike, jetzt wirst du mir aber zu privat.«
»Ach, ich dachte, du hattest Kopfschmerzen.«
***
Einen solchen Medienauftrieb hatte Strobel noch nicht erlebt, seit er die Leitung des Kommissariats 1 übernommen hatte. Fernseh- und Radiosender aus Bayern und Hessen waren angerückt, und zur örtlichen Presse gesellte sich ein Dutzend Korrespondenten von Nachrichtenagenturen oder überregionalen Blättern. Die Dienststellenleitung hatte das Pressegespräch in letzter Minute in den Schulungsraum im Keller verlegt. Der Saal war nicht nur der größte, sondern auch mit jeglichem technischen Schnickschnack ausgestattet.
Possmann hatte entschieden, dass er sich als Leitender Oberstaatsanwalt selbst dem Blitzlichtgewitter stellen müsse. Strobel
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