Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
Vom Netzwerk:
weitergeht, stößt sich die Elster von der Vogelscheuche ab, breitet ihre Schwingen aus und gleitet zum Kirschbaum im Nachbargarten, von dort auf einen Zaunpfahl, dann auf eine Pergola im übernächsten Garten. Wie ein lautloser schwarzer Schatten folgt sie dem Störenfried, der sich im Licht des Morgens entfernt.
    ***
    Stiller empfand den Morgen als ungewöhnlich warm, fast sommerlich schwül. Sein Fahrrad stand am Verlagsgebäude, er war mit dem Wagen ins Radieschenparadies gefahren, und es war noch nicht einmal halb acht, als er dort ankam. Dennoch schwitzte er, das Hemd klebte ihm an den Schulterblättern. Die Gärten wirkten verwaist wie an dem Morgen, an dem er zum ersten Mal allein hier gewesen war. Diesmal fehlte auch Gerti Blums alter Golf auf dem Parkplatz, was ihn nicht wunderte: Nach dem Regen musste sie an diesem Dienstag sicher nicht gießen.
    Das Gartentörchen quietschte leise. Auf den Beeten inspizierten ein paar Vögel, was Ruth und Frauke am Samstag gepflanzt hatten. Stiller scheuchte sie im Vorübergehen auf, und sie brachten sich auf dem Kirschbaum in Sicherheit.
    An der Laubentür hing ein Zettel, Fraukes Schrift: »Hängematte befestigen! F.«. Er blickte über die Schulter. Die Hängematte lag auf dem Boden, der allmählich trocknete. Das Zugseil im Kirschbaum hielt noch, aber das andere Ende an der Laube hatte sich gelöst. Er spähte um die Ecke des Häuschens. Der Haken saß unterhalb der Traufe; wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte, würde er hinaufreichen.
    Stiller fragte sich, wann ihm Frauke die Nachricht hinterlassen hatte. War sie gestern noch einmal hier gewesen, nachdem sie ihn zu Hause abgesetzt hatte? Unwahrscheinlich, es hatte in Strömen geregnet. Aber noch unwahrscheinlicher erschien es ihm, dass sie schon vor ihm am frühen Morgen hier gewesen sein könnte.
    Er schloss auf, warf seine Tasche auf die Eckbank und schnappte sich eines der Küchenhandtücher, die an der Spüle lagen, um sich den Schweiß abzuwischen. Als er den Wasserhahn sah, kam ihm eine Idee. Er streifte die Armbanduhr ab, zog sich das Hemd über den Kopf und hängte es zum Trocknen vor der Laube in die Sonne. Dann ging er zum Pumpbrunnen, zog und schob ein paarmal am Schwengel.
    Als das Wasser lief, beugte er sich hinab und hielt den Kopf unter den Strahl. Das Wasser war eiskalt. Er stöhnte, erst erschrocken, dann genussvoll. Er pumpte weiter, drehte den Kopf und prustete, schob die Schultern vor, damit sie auch etwas abbekamen. Erst als seine Stirn schmerzte, hörte er auf. Er warf den Kopf zurück, schüttelte ihn, versprühte Garben feiner Wassertropfen, die in der Sonne funkelten.
    Mit dem Küchenhandtuch rubbelte er sich die Haare trocken. Vom Nachbargarten aus sah ihm die Vogelscheuche zu.
    »Schau mir bloß nichts weg«, rief Stiller und zwickte sich in den Speck, der sich zu seinem Ärger um seine Hüfte gelegt hatte. Rasch schlüpfte er in sein Hemd und band sich die Uhr wieder um. Er hatte noch gut zwanzig Minuten Zeit. Das kalte Wasser hatte ihn nicht nur erfrischt, sondern auch seinen Tatendrang geweckt.
    Er tat, als spucke er sich in die Hände, und nahm das lose Ende des Zugseils auf. Der Karabinerhaken war unbeschädigt. Warum mochte sich das Seil gelöst haben? Er warf einen prüfenden Blick auf den Boden unter dem Haken, in den er den Karabiner einhängen sollte. Da lag eine Art Holzdeckel. Dunkel erinnerte er sich daran, was ihm Mooser erzählt hatte: Darunter verbarg sich ein alter Brunnenschacht. Gar nicht schlecht: Das raue Holz versprach ihm einen besseren Halt als das feuchte Gras.
    Vorsichtig stellte Stiller einen Fuß auf den Deckel. Dann erhöhte er beherzt den Druck.
    ***
    Er saß auf der Bank vor seiner Laube, eine Hand auf dem Spaten, der quer über seinen Oberschenkeln lag. Es war noch Zeit, aber er wollte vorbereitet sein. Geduldig wartete er auf den Maulwurf. Er wusste, er würde kommen, er wusste, diesmal musste er ihn erledigen.
    Der Maulwurf durfte ihn nicht um die Ernte dessen bringen, wofür er sich abgerackert hatte. Es durfte nicht am Ende alles umsonst sein, wofür er in den letzten Monaten gekämpft, ja sogar Leben ausgelöscht hatte. Ein toter Maulwurf mehr – das machte für ihn keinen Unterschied. Es ging um ihn selbst. Einmal hatte er das dicke Ende einer Wurst in den Händen gehalten. Wahrscheinlich war es ihm schon wieder entglitten. Es ging nur noch darum, selbst mit heiler Haut davonzukommen.
    Er hörte das Krachen, das Splittern von Holz, den entsetzten

Weitere Kostenlose Bücher