Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Verbindung bringen würde.«
    »Ich denke, Vapore hat das Gelände längst gekauft. Damit dürfte die Verbindung doch ziemlich offensichtlich sein.«
    Wieder das irre Lachen. »So ein Investor kauft erst, wenn er die Baugenehmigung im Kasten und die ersten Anleger im Sack hat. Bis dahin läuft alles über Optionen. Nein, auf diesem Goldhaufen hier sitze ich noch selbst, und wenn ich Pech habe, wird ein Schuldenberg daraus. Vapore hatte nur seinen Reibach im Kopf, sonst hat er mit nichts was zu tun.«
    Während Scherer sprach, sah sich Stiller flüchtig nach einer neuen Waffe um. Scherer nutzte diesen Moment. Er packte mit der linken Hand den Stiel und zerrte heftig daran. Die Attacke misslang, weil er den Spaten nicht loslassen wollte. Stiller dagegen nahm beide Hände zu Hilfe und entriss Scherer den Stiel. Dabei kippte er leicht zurück. Das reichte Scherer, um zur Seite zu springen. Sofort begannen sie wieder zu fechten. Scherers Spaten hatte mehr Wucht, schrittweise zog sich Stiller in Froeses Garten zurück. Nach ein paar Metern splitterte der Stiel, Stiller blieb nur noch ein kurzer Stumpf.
    Scherer senkte schnaufend den Spaten.
    »Wieso Kempf?«, japste Stiller.
    »Den haben Sie auf dem Gewissen. Mit Ihren Fragen beim Frühschoppen haben Sie ihn erst draufgebracht, was da läuft. Er kannte den alten Bebauungsplan und ahnte, dass jemand im Rathaus die Mitteilungen über das Grundstücksgeschäft abgefangen hatte. Das wollte er loswerden. Sein Pech, dass er sich ausgerechnet Graser anvertraut hat. Der hat mich verständigt, und ich habe die Sache bereinigt.« Kaum war er wieder bei Atem, stieß sich Scherer ab und sprang auf Stiller zu, wobei er den Spaten wieder wie einen Spieß vor sich hielt.
    Stiller rettete sich mit einem Satz nach hinten. Dabei stieß er an ein Hindernis. Es war die Vogelscheuche. Rasch ging er hinter ihr in Deckung. »Graser wird von der Kripo bereits überprüft. Wenn er Sie vor Kempfs Ermordung angerufen hat, sind Sie selbst bald dran.«
    Graser schnitt eine Grimasse. »Graser und ich telefonieren seit Monaten nicht mehr. Wir verständigen uns übers Internet. FTTH – abhörsicher.«
    Eine Weile umkreisten sie die Puppe mit der asiatischen Maske wie in einem bizarren Tanz. Scherer verteilte von der Seite Hiebe mit dem Spaten, Stiller wich aus oder parierte sie mit dem Holzstumpf in seiner Hand, immer darauf bedacht, dass die Vogelscheuche zwischen ihnen blieb.
    »Dass Graser die Kleingartenanlage vernichten wollte, das kann ich verstehen. Aber Sie – als Eisenbahner und jahrelanger Pächter …«
    »Eisenbahner«, höhnte Scherer. »Sie haben keine Ahnung, was bei der Bahn los ist, oder? Die suchen nur noch Typen aus der Kategorie jung und dynamisch, auf mehr kommt’s nicht an. Alle Älteren müssen gehen. ›Radikal verjüngen‹ nennt sich das. Strunke hat noch Glück gehabt, der war bei der ersten Welle dabei. Mit einundfünfzig in den Vorruhestand – bei vollen Ansprüchen, alles schön den Steuerzahlern aufs Auge gedrückt. Das hätte ich mir auch nicht zweimal sagen lassen. Aber die Zeiten sind vorbei, und ich war jetzt erst dran.«
    Scherer unternahm einen neuen Ausfall. Stiller warf den Stumpf weg, packte die Vogelscheuche, rupfte sie aus dem Boden und hielt sie wie ein Prozessionskreuz vor sich.
    »Wissen Sie jetzt, was dieses Geschäft für mich bedeutet? Ich hab die Abfindung reingesteckt, alles flüssig gemacht, was ich besitze, und über die alte Genossenschaft obendrein noch gigantische Schulden gemacht. Wenn Vapore nicht kauft, kann ich die Hand heben. Dabei hab ich die Bahn mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Mit den Alten haben sie die ganze Erfahrung in die Wüste geschickt. Von den Yuppies, die heute in den Büros sitzen, hatte keiner die geringste Ahnung, was das Gelände wirklich wert war. Auch dort hat niemand mehr von dem alten Plan gewusst.«
    Stiller entschied sich für einen verzweifelten Angriff. Er preschte nach vorne und schwang die Vogelscheuche mit beiden Händen gegen seinen Gegner. Ihre ausgebreiteten Arme schienen um sich zu schlagen. Scherer war überrumpelt und stolperte zurück. Trotzdem schaffte er es, den Spaten anzuheben. Mit zwei Schlägen zerfetzte er den Stoffleib der Puppe, Stroh quoll heraus.
    Stiller stoppte abrupt. »Und Ihr Garten hier? Die Anlage – bedeutet Ihnen das alles nichts?« Er hustete und wischte sich mit dem Handgelenk den Schweiß von der Stirn, ohne die Bohnenstange loszulassen, an der die lädierte Vogelscheuche