Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
und kaute genüsslich. »Ich meine diese Nachricht.« Er pochte mit dem Löffel auf die Zeitung, die hinter dem Eierbecher lag.
»Du meinst die beiden Morde?«
»Genau.« Claudio streute Salz und Pfeffer auf das geköpfte Ei, bevor er erneut den Löffel ansetzte. »Zwei Leichen. Mit solchen Leuten kann man doch keine Geschäfte machen!«
»Du hast recht, Claudio. Das ist unzivilisiert.«
»Alles Stümper. Banausen. Eines kannst du mir glauben …« Er deutete mit dem Löffel auf Antonia, das Ei bröselte auf die Zeitung. »Auf Sizilien wäre das Geschäft glatt gelaufen. Da hätte man die Leichen niemals gefunden.«
Er legte den Löffel weg und schob den Eierbecher lustlos beiseite. »Da kannst du mal sehen, wie überlegen die sizilianische Kultur der hiesigen ist.«
***
Es schien ihm, als wäre er nie weg gewesen. Stiller betrat den Konferenzraum und erlebte ein heftiges Déjà-vu. Die Tische waren zur Seite gerückt, die Stühle bildeten einen Kreis – wie beim letzten kreativen Work-out, an dem er teilgenommen hatte. Seine Kollegen saßen exakt auf denselben Plätzen, als hätten auch sie das Zimmer nie verlassen. Die Runde schwieg, niemand bewegte sich, bis auf Frauke, die ihre Pinnwand in eine bessere Position rückte und die bunten Pappwolken nach Farben sortierte.
Und bis auf Bausback, der ihm den Kopf zuwandte. »Wieder einmal der Letzte«, rief er, »Herr Stiller!«
Stiller murmelte eine Entschuldigung. Er hatte mit der schlechten Laune des Chefredakteurs gerechnet. Es war Mittwoch, Bausbacks Eiertag, und nach Stillers Informationen hatten sich die Hühner des Geflügelzuchtvereins noch nicht vollständig vom Schock der vorangegangenen Woche erholt.
Doch Bausback wirkte überraschend gut gelaunt. Kaum hatte sich Stiller gesetzt, sprang er auf, trat mit strahlender Miene in die Mitte des Kreises und hob zu einer Ansprache an.
»Meine Herren respektive Damen. Heute ist ein Tag der Freude – und des Abschieds zugleich. Unsere charmante Trainerin Dr. Frauke Heiner-Döberlin wird uns leider letztmals in die Kunst der Kreativität und in die hohe Schule der Intuition einführen können. Ich habe sie gebeten, uns quasi als Abschiedsgeschenk noch einmal mit der Reizwortanalyse zu beglücken, die ich für besonders bewusstseinsrelevant halte.«
Stillers Handy klingelte. Ein unbekannter Anrufer. Er lief rot an und schaltete das Gerät aus.
Bausback warf ihm einen verärgerten Blick zu und fuhr fort: »Ihr Abschied, verehrte Frau Heiner-Döberlin, ist für uns alle ein Verlust. Was Sie für uns getan haben, ist zukunftsrelevant für unsere Zeitung. Ich fühle mich persönlich in höchstem Maße bestätigt. Meine Entscheidung, Sie gegen alle Widerstände der Verlagsleitung zu engagieren, war richtig. Zu Recht darf ich den Erfolg Ihrer Arbeit auch als einen Erfolg meiner strategischen Redaktionsleitung verbuchen.«
Es klopfte.
»Jetzt nicht!«, brüllte Bausback. Er besann sich kurz und nahm den Faden wieder auf. »Wie sehr Sie in den vergangenen drei Wochen die Kreativität unserer Redaktion gefördert haben, wird in einem Punkt besonders deutlich: Dank Ihrer chaotisch-intuitiven Methode und nicht zuletzt durch Ihre aktive Mithilfe ist es der Polizei gelungen, zwei Morde aufzuklären. Es verdient besondere Bewunderung, ja ich finde, es grenzt an ein Wunder, dass Sie von Anfang an, intuitiv eben, auf den richtigen Täter getippt haben.«
Ein Wunder war das für Stiller nicht: Frauke hatte bei der Suche nach dem Täter reihum auf jeden der Gärtner getippt.
Bausback spreizte die Arme zur Decke wie ein Prediger. »Das, verehrte Frau Heiner-Döberlin, geht weit über die alltägliche redaktionelle Leistung hinaus, es ist beispielrelevant.«
Die Tür öffnete sich. Sonja Wagner schaute herein.
»Was gibt es denn?«, fuhr Bausback sie unwirsch an.
»Verzeihung«, sagte sie schuldbewusst, »aber die Herrschaften wollten sich nicht aufhalten lassen.«
Jemand schob sie von hinten in den Konferenzraum. Sie trat zur Seite, hielt die Tür auf und ließ die Ankömmlinge herein: Gerti Blum und Hans Mooser.
Sie sahen sich suchend um. Dann gab Mooser Gerti Blum einen Schubs mit dem Ellbogen und zeigte mit dem Kinn auf Stiller.
Sie räusperte sich. »Lieber Heiner – oder ab jetzt lieber Paul! Du hast einige von uns ja schön zum Narren gehalten.«
»Mich nicht!«, warf Mooser ein und schepperte sein Anlasser-Lachen in den Konferenzraum. Die Kollegen der Politikredaktion erwachten aus dem
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