Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
ruhig an, is er nit schön? Gell? Jeder saacht, dass der schön is. Aber der Strunke hat alle gege mich uffgehetzt. Was ich durchgemacht hab, des glaube Sie nit. Dabei hab ich mich doch nur gewehrt. Kaum war der Strunke tot, schon war die Polizei bei mir, für die bin ich natürlich de Staatsfeind Nummer eins. Aber ich hab e Alibi, ich war bei meiner Schwester in Mainz un bin erst am Mondaach mit dem Zug zurückgefahrn. Da hat die Polizei jetzt was zum Nachprüfe. Naa, zu der Sache mit meim Pavillon saach ich gar nix mehr. Da solle sich die Anwälte streite. De Strunke is tot, un de Scherer – ich werd’s ja sehn …«
Stiller nahm sich vor, Strobel nach Kohls Alibi zu fragen. Rings um ihn herrschte der übliche Feierabendbetrieb. Rasenmähermotoren konkurrierten mit dem Vogelgezwitscher, Grüße und andere Zurufe flogen zwischen den Gärten hin und her, in der Ferne meinte er, die Mangold-Kinder lachen zu hören. Alles wirkte so friedlich, dass er sich ernsthaft fragte, weshalb er ausgerechnet hier einen Mörder vermutete. Er fühlte sich fehl am Platz, nicht nur weil er sich unter falschem Namen in der Laubenkolonie eingenistet hatte.
Tat er all diesen Menschen nicht Unrecht? Seinem Nachbarn Mooser, immer auf dem Sprung, ihm Arbeit abzunehmen. Den Froeses, die über niemanden ein schlechtes Wort verloren. Den Mangolds, die nur ihren fünf Orgelpfeifen eine schöne Kindheit bieten wollten. Gerti Blum, die im Garten die Nähe zur Natur und zu ihrem Schöpfer suchte. Scherer, auf dem jetzt die Hoffnungen ruhten, wieder Frieden in der Kolonie zu schaffen. Kohl mit seiner trotzigen Schwärmerei für einen gusseisernen Pavillon. Wagner, der sich wohl selbst nicht bewusst war, wie stark aus seinen Worten die Sehnsucht nach Bestätigung und Wertschätzung sprach. Die Spätaussiedler und Ausländer, die sich hier eine neue Heimat schaffen wollten. Sie hatten ihn freundlich unter sich aufgenommen, weil sie glaubten, dass er wie sie Erholung, Gemeinschaft oder körperlichen Ausgleich suchte. Dabei suchte er nur nach den Rissen in der friedlichen Fassade.
Es war eines der Gespräche an diesem Abend gewesen, das seine Selbstzweifel und sein schlechtes Gewissen geweckt hatte.
Christoph Holzapfel, Mitte vierzig, Manager:
»Der Garten hat mein Leben gerettet. Ich hab rund um die Uhr geschuftet, in meinem Kopf war nur noch Feuerwerk. Wie bei der Aschaffenburger Schlossbeleuchtung. Vor zehn Jahren bin ich am Schreibtisch zusammengebrochen. Herzinfarkt. Der Notarzt hat mich auf die Idee mit dem Garten gebracht. Ob du es glaubst oder nicht: Die frische Luft und die Gartenarbeit, sie haben Wunder gewirkt. Ich bin ein völlig neuer Mensch – und im Beruf eher noch erfolgreicher als vorher.
Ist das nicht wunderbar, wie jetzt schon alles blüht und duftet. Das Weiße da ist Liguster, Jasmin und Holunder. Dazwischen hab ich die Pfingstrosen, die bringen Farbe rein. Dann blaue Glockenblumen, rote Weigelien, zartrosa Lupinien, gelber Hibiskus. Die erste Lilie ist schon auf, die orangefarbene dort, die anderen blühen bald auch.
Ich weiß, das mit Herrn Strunke, da kommen jetzt wieder alle Vorurteile hoch. Für die meisten Menschen sind wir Kleingärtner kleinkariert und streitsüchtig. Aber eigentlich sind wir die wahren Naturfreunde, und unsere Gärten die grüne Lunge der Stadt. Und nichts tut der Seele so gut wie die Gemeinschaft. Wir feiern gemeinsam, wir helfen uns. Hoffentlich kriegt die Polizei den Mörder bald, damit wieder Ruhe einkehrt.
Ich will gar nicht so tun, als ob es keine Probleme gäbe. Mit den zehn Geboten hat sich Herr Strunke keinen Gefallen getan. Obwohl, was ist falsch daran? Du sollst sauber halten deinen Garten und pflegen – du siehst ja selbst als Betreuer, was passiert, wenn man es nicht tut. Leider hat heute fast jeder eine Rechtsschutzversicherung, da landet ein kleiner Streit schnell vor Gericht. Mir wäre es den Aufwand und die Nerven nicht wert, seit zehn Jahren nicht mehr. Ich will hier Kraft schöpfen und nicht verschwenden. Ich weiß nicht, ob der Garten mein Leben gerettet hat. Aber verändert hat er es auf jeden Fall.«
Es schien Stiller, als fände er umso weniger Risse, je mehr er danach suchte. Er beneidete Frauke für ihren Psychologenblick, der unter die Oberfläche drang. Spielend konnte sie in kleinen Äußerungen und nebensächlichen Handlungen Motive für den Mord an Strunke entdecken. Nahezu jeden Gärtner hatte sie auf ihre Verdächtigenliste gesetzt. Stiller fragte sich, was sie
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