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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
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zu überzeugen. Ich hab nämlich Zweifel.« Stiller saß auf der Eckbank und studierte den Lageplan der Kolonie. Er hatte vor, später noch bei Kohl und Wagner vorbeizuspazieren. Am Abend vorher hatte er die beiden nicht angetroffen, vor allem das Gespräch mit Kohl brannte ihm auf den Nägeln.
    »Wie ich von Anfang an vermutet habe: Es geht um Schutzinstinkt. Du findest dieses Thema in zwei Variationen.« Frauke war wieder in ihren sanften Ton verfallen. Sie blätterte die Flipchart um und untermalte ihren Vortrag mit einer Reihe von Namen, Begriffen und Pfeilen. »Zum einen hat Mangold den Garten für die Familie gepachtet. Seine Kinder sollten es schön haben, oder? Strunke hat ihm nicht nur das Leben schwer gemacht, sondern auch noch mit Rausschmiss gedroht. Auf den Vater muss das gewirkt haben wie die Bedrohung seiner Sippe. Das ist ein total starkes Motiv. Der Instinkt, die Sippe zu beschützen, der steckt in den Genen, der war in der Frühgeschichte der Menschheit sozusagen das oberste Prinzip. Kannst du mir so weit folgen?«
    Stiller blinzelte zur Bestätigung.
    »In diesem Fall aber kommt eine zweite Variante hinzu. Mangold ist als Familienoberhaupt nicht nur der Beschützer seiner Sippe. Er ist auch der territoriale Wächter, der Haus und Hof verteidigt. Strunke wollte ihn aus seinem Revier vertreiben. Sicher kannst du einwenden, dass er sich selbst um einen anderen Garten beworben hat. Aber das war tiefenpsychologisch nur so etwas wie ein Plan B, eine Strategie, um nicht völlig ohne Revier dazustehen, wenn es zum Schlimmsten kommt. Das Schlimmste, das ist für ihn der Verlust des vorhandenen Gartens. Folgerichtig behält er ihn jetzt auch, nachdem Strunke tot ist. Na, was sagst du?«
    »Der Mann hat fünf Kinder …«
    »Eben. Umso stärker war er motiviert. Der Schutzinstinkt steckt in uns allen. In der Regel beschränkt er sich darauf, die Kinder zu ermahnen, beim Radeln einen Fahrradhelm aufzusetzen. Oder dem Lehrer die Hölle heißzumachen, wenn die Schulnoten der Kinder ungerecht erscheinen. Solche Kleinigkeiten. Aber wenn es sich um eine komplexe Bedrohung handelt, wenn kein Ausweg mehr erkennbar ist, dann kann der Instinkt Verhaltensweisen hervorbringen, die sich nicht mehr bewusst kontrollieren lassen.«
    »Frauke, du hättest ihn sehen sollen. Er hat ganz friedlich Spielzeug repariert.«
    Ihr Ton wurde noch einen Tick sanfter. »Da gebe ich dir recht: ganz friedlich. Solange er sich kontrollieren kann. Bis dann plötzlich die Gewalt aus ihm herausbricht. Du hast mir selbst erzählt, dass er seinem Ältesten eine geklebt hat – und das bereits bei einem äußerst geringen Anlass. Eines seiner Kinder weint, ein paar Nachbarn rufen nach Ruhe. Jetzt stell dir mal vor, wie sich dieser Mann in einer komplexen Bedrohungssituation verhält!«
    »Mangold war nicht der Einzige, dem Strunke mit der Kündigung gedroht hatte. Laut Gerti Blum galt das auch für Scherer.«
    »Richtig.« Frauke blätterte zurück und kringelte den Namen Scherer ein. »Der könnte es auch gewesen sein. Allerdings hat er keine Sippe zu verteidigen. Sein Schutzinstinkt beschränkt sich auf die Rolle des Territorialwächters. Wir müssen dringend herausfinden, was zwischen Scherer und Strunke vorgefallen ist.«
    »Das kannst du ja übernehmen, wenn du ihm deinen Personalausweis bringst«, schlug Stiller vor.
    »Das traust du mir zu?« Sie strahlte ihn an, wurde aber gleich wieder ernst. »Nein, so geht das nicht. Ich kann ihm den Ausweis nicht bringen. Wenn er meinen vollen Namen liest, fliegt deine Heiner-Döberlin-Nummer sofort auf. Das mit dem Perso, das müssen wir aussitzen.«
    Stiller stimmte zu. »In zwei Tagen, beim Radieschenfest, da gibt es sicher eine Gelegenheit, ihm auf den Zahn zu fühlen.«
    »Apropos ›auf den Zahn fühlen‹.« Frauke legte den Stift weg. »Was ist eigentlich mit diesem Kohl? Da geht es auch um die Kündigung. Für mich bleibt der die Nummer eins. Und du wolltest ihn dir schon längst vorknöpfen.«
    »Ich weiß. Es hat nicht geklappt. Ich versuch’s gleich noch mal.«
    »Was hält dich dann auf?«, fragte Frauke spitz. »Es ist kurz nach fünf, die beste Zeit, hier jemanden anzutreffen. Ich muss sowieso los.«
    Sie trennten sich an der Gartentür. Frauke musste nach links, sie hatte ihren Peugeot auf dem Parkplatz am Haupteingang abgestellt.
    Stiller tat so, als schaue er ihr eine Weile nach. In Wahrheit suchten seine Augen den Garten schräg gegenüber ab. Keine Spur von der schönen

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