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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
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verschrobene Titelzeile zu bedeuten hatte. Ähnlich erging es ihm mit den Textfetzen, die jetzt aus den Lautsprechern quollen: »Du gingst von mir in einer Stunde« – war sie vor einer Stunde gegangen oder hatte sie eine Stunde zum Gehen gebraucht? »Und half mir auch nicht du« – diese Zeile klang, als sei sie von einer Übersetzungsmaschine gedichtet worden. »Aber ohne dich leben, jetzt ist es zu spät« – offensichtlich war sie doch dageblieben.
    Ruth und Frauke fachsimpelten über Wetter und Wachstum. »Der Mai war anfangs so kühl, alles hinkt um Wochen hinterher.« – »Und da reden alle von der Erderwärmung. Bei uns sorgt der Klimawandel anscheinend nur für Kälte und Regen.«
    Froese hatte sich zu ihnen gesellt. »Für meinen asiatischen Garten ist dieses Klima jedenfalls Gift«, warf er ein. »Wer weiß, ob es hier in ein paar Jahren überhaupt noch Kleingärten gibt.«
    »Wo liegt das Paradies?«, klang es passend dazu aus den Lautsprechern. Stiller entspannte sich allmählich und beteiligte sich an der Unterhaltung.
    Kleinschnitz verschwand und kehrte mit einer neuen Lage Bier und Prosecco zurück. Stiller folgte später seinem Beispiel, die drei Runden danach übernahmen Frauke, Ruth und Lilo, wobei die Frauen inzwischen zu Apfelsaftschorle übergegangen waren. Sascha schaute noch ein paarmal vorbei, sammelte die leeren Schnapsgläschen ein und ließ volle stehen. Stiller und Kleinschnitz tranken für Ruth und Frauke mit.
    Die Abenddämmerung stieg auf, und mit dem Tag verblassten Stillers Konzentration und Erinnerungsvermögen. Der Alkohol, das Stimmengewirr, die laute Musik, sie benebelten ihn. Das Duo Scherer und Mooser räumte ein paar Biertischgarnituren beiseite, die sich schon geleert hatten. Das war das Letzte, was er noch bewusst wahrnahm.
    ***
    »War er wieder peinlich?« Charlotte musterte Stiller vorwurfsvoll.
    »Es ging eigentlich.« Ruth stellte die Kaffeekanne auf den Esstisch, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Er hat sogar beim Tanzen noch eine ganz gute Figur gemacht.«
    »Ich hab getanzt?« Stiller stützte die Ellbogen auf und legte sein Gesicht in die Hände. Zwischen den Fingern hindurch sah er zu, wie sich im Wasserglas vor ihm sprudelnd zwei Aspirintabletten auflösten.
    Ruth klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken. »Und wie! Aber unter uns: Du hättest ruhig auch mal Frauke auffordern können. Die Leute haben schon geredet. Sie ist dort schließlich deine Frau, ich bin nur deine Schwägerin.«
    »Schlimm genug, dass ich überhaupt getanzt habe.« Die Kopfschmerzen ließen Stiller aufstöhnen.
    Ruth reichte den Brötchenkorb herum. Sie war bereits beim Bäcker gewesen, obwohl das sonntags Stillers Aufgabe war. »Also, ich fand’s nicht schlimm. Die Gartenluft scheint dir richtig gut zu bekommen. Ich weiß gar nicht, wann du das letzte Mal mit mir getanzt hast.«
    »Ich schon.« Stiller räusperte sich, seine Stimme klang rau wie ein Reibeisen. »Beim Tulpenball, das ist keine vier Monate her.«
    »Er kann noch rechnen«, flüsterte Jan.
    Stiller trank das Glas auf einen Zug leer und verzog das Gesicht. »Boah! Dagegen schmeckt ja der Radieschenschnaps von gestern wie Zuckerwasser.«
    »Deine Augen sind ganz rot, Papa.« Jan wirkte besorgt. »Du wirst doch nicht blind?«
    Stiller schüttelte den Kopf. »Ich glaube, jetzt nicht mehr. Trotzdem«, er warf Ruth einen entschuldigenden Blick zu, »den Schnaps hätte ich besser stehen lassen sollen. Kleinschnitz hatte recht, das Zeug …«
    Er erstarrte. Kleinschnitz. Was hatte er gesagt? Biosprit – nein, das war es nicht. Raffinerie – auch nicht. Baugenehmigung, das war es!
    Ruth rüttelte ihn. »Paul, was ist los?«
    »Moment.« Stiller rührte sich nicht. Schlagartig verflogen seine Kopfschmerzen. »Kohl«, rief er.
    »Papa?« Charlotte beugte sich über den Tisch und wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum.
    Stiller nahm sie kaum wahr. »Mooser hat es mir erzählt: Kohl hat sich auf einen alten Bebauungsplan berufen. Daran wollte ich mich die ganze Zeit erinnern.«
    »Papa, du bist unheimlich!«, rief Charlotte.
    Stiller sah ihr in die Augen. »Was will ein Bauunternehmer in einer Kleingartenanlage?«
    Charlotte runzelte die Stirn. »Bauen?«
    »Kluges Kind!« Stiller sprang auf, holte sich das Telefonbuch und begann zu blättern.
    »Wen willst du anrufen?«, fragte Ruth.
    »Den früheren Leiter des Stadtbauamts. Kempf.« Er ließ den Zeigefinger über eine Spalte gleiten und schließlich innehalten.

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