Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Lautsprechern. Rasch drehte er leise und wieder lauter. Bei der Zeile »… hoch mit dir geflogen«, flog die Sicherung aus dem Mischpult. Drei weitere Elektrofachmänner fanden sich ein und machten sich mit ihm auf die Feh- lersuche.
Das Fest begann, die Tische bevölkerten sich. Wagner kam mit dem Zapfen nicht mehr nach. Ausgerechnet Kusmin eilte ihm zu Hilfe.
»Ey, ich zapfen, du spülen«, radebrechte Wagner.
»Ja, ja«, antwortete Kusmin und bediente den zweiten Zapfhahn, als habe er nicht verstanden.
Ruth und Frauke erschienen und stellten eine Schüssel am Vereinsheim ab. »Nudelsalat«, sagte Ruth, während sie sich zu Stiller auf die Bank schob. »Charlotte ist mit Jan übrigens nach Hause geradelt. Ihr Freund wollte nicht kommen. Hab ich die Eröffnungsrede verpasst?«
»Die ist ausgefallen. Es gibt technische Probleme.« Stiller sah sich um.
An den Feuerstellen standen Männer in John-Wayne-Pose, statt eines Schießprügels schwenkten sie lange Zangen. Plötzlich gab es an einem der Grills einen Aufstand.
»Bleib mir weg mit den Bifteki«, rief ein Zangenmeister mit Schweißperlen auf der Stirn. »Die kleben immer am Rost fest. Wenn du die ein paarmal gewendet hast, bleibt nur noch der Käse in der Mitte übrig.« Die Frau mit den Bifteki schlug vor, eine Alufolie unterzulegen. »Alufolie!«, rief er entsetzt. »Da kannst du doch gleich die Pfanne nehmen.«
Ruth schüttelte den Kopf. »Merkwürdig, dass Männer, die in der Küche keinen Finger rühren, ihre Frauen nur an den Rost lassen, wenn er geputzt werden muss.«
»Das ist psychologisch bereits erforscht«, dozierte Frauke. »Grillen ist für Männer ein Urbedürfnis. Wenn sie Würstchen wenden, sehen sie sich in der Rolle des Höhlenmenschen, der seine Sippe mit Fleisch versorgt. Außerdem: Wer am Grill steht, hat die Macht – nicht nur über die Wurst.«
Hinter ihnen rief jemand: »Schatz, hol mal den Lappen! – Nicht den nassen, den trockenen. Was will ich mit dem nassen?«
»Da hörst du es.« Frauke lächelte weise.
»Apropos die Sippe versorgen«, warf Stiller ein. »Habt ihr etwas zum Grillen mitgebracht?«
Ruth und Frauke sahen ihn groß an. »Davon hast du nichts gesagt.«
»Keine Angst, ihr müsst nicht verhungern.« Kleinschnitz tauchte hinter ihnen auf und wuchtete eine Tupperdose mit eingelegten Steaks auf den Tisch. Er wies auf seine Freundin: »Darf ich bekannt machen? Das ist Lilo.«
Stiller stellte Ruth und Frauke vor, ohne auf die Beziehung einzugehen, in der sie zu ihm standen. Lilo begrüßte die beiden Frauen und Stiller mit Wangenküssen. »Ich hab ja schon so viel von euch gehört«, sagte sie mit ihrer nasalen Stimme, während sie in die Bank rückte.
»Was möchtest du trinken?«, fragte Kleinschnitz.
»Gibt’s ‘nen Prosecco?«, näselte Lilo.
»Ich schau mal nach.«
»Ich komme mit.« Stiller stieg über die Bank. »Was trinkt ihr?«
Ruth und Frauke bestellten Bier.
Stiller und Kleinschnitz lösten Bons an der Kasse und trennten sich dann. Kleinschnitz steuerte die Sektbar an, Stiller den Bierstand.
»Hölle Hölle Hölle«, schepperten die Lautsprecher. Das Technikteam drehte leiser. Diesmal schien alles zu klappen.
Am Bierstand hatte sich eine Traube gebildet. »Du schneller zapfen oder spülen«, sagte Wagner zu Kusmin.
»Ja, ja«, antwortete Kusmin und schob fleißig Bierkrüge über die Theke, während Wagner einen tiefen Zug aus seinem eigenen Krug nahm.
»Ich muss prüfen, ob alles okay ist«, verkündete Wagner. Sein Gesicht war rot angelaufen, seine Bewegungen wirkten unkontrolliert. »Ey, um ein Haar hätte es hier Faust-Bier gegeben. Aber nicht mit mir. Noch nicht. Not yet, Kameraden. Mit mir nur Schwind.«
Mangolds Stereoanlage spielte »Waterloo«.
Jemand zupfte Stiller am Ärmel. Er drehte sich um, aber erst als er den Blick senkte, bemerkte er Gerti Blum.
Sie lachte fröhlich. »Na, gefällt dir das Fest?« Plötzlich wurde sie ernst und starrte in Richtung Salatbuffet. »Also das ist ja … Der hat vielleicht Nerven, hier aufzukreuzen!«
Stiller folgte ihrem Blick und sah einen Fremden, der sich suchend umblickte. »Wer ist das?«, fragte er.
»Er heißt Graser, und er hat hier Hausverbot. Ein roher Mensch.«
Stiller erinnerte sich an den Aktenordner mit den Abmahnungen und Kündigungen im Vereinsheim. Er hatte den Namen gelesen, Graser war der Mann mit dem Vogel. »Was hat er denn ausgefressen?«
Gertis Gesicht verdüsterte sich. »Ausgefressen kann man das nicht nennen.
Weitere Kostenlose Bücher