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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
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Diesmal musste er nicht zur Uhr sehen, der Radiosprecher verriet ihm die Zeit: neunzehn Uhr fünfundvierzig, drei viertel acht. Er setzte sich auf und sah durch das Fenster ins Schöntal. Die Dämmerung senkte sich bereits in den Park. Wieder hatte er einen Nachmittag vertrödelt. Und auch dieser Abend würde vorbeigehen wie all die anderen.
    Er erhob sich schwerfällig, suchte in der Flurkommode, auf der das Telefon stand, das Notizheft mit den Rufnummern seiner Bekannten. Er zog die Lesebrille aus der Brusttasche seines Hemdes, setzte sie auf und blätterte. Schließlich fand er die Nummer und wählte.
    »Kempf«, sagte er, als am anderen Ende abgehoben wurde. »Dein alter Mentor.« Er hörte sich die Begrüßungsfloskel an. »Hör mal«, fuhr er dann fort. »Heute Mittag war ein Journalist beim Ehemaligenschoppen und hat Fragen über einen alten Bebauungsplan gestellt. Nilkheimer Bahnhof. Weißt du, ob es den überhaupt noch gibt? … Hab ich mir gedacht, ich kann mich auch nicht daran erinnern. Wie? Stiller, ja. … Ich weiß nicht genau, worauf er hinauswollte. Aber wenn da irgendetwas Krummes läuft, muss jemand bei euch im Amt Bescheid wissen, alles andere ergibt keinen Sinn. Du hast nichts mitgekriegt? Gut, dann werde ich gleich morgen früh den Keller einschalten … Das ist ein schwerer Verdacht, das weiß ich selbst … Dich habe ich doch gar nicht gemeint, ich wollte nur mal mit dir drüber reden, bevor ich morgen alle rebellisch mache … Sicher können wir uns treffen … Einverstanden, um halb neun in den Schöntalweinstuben. Ich wollte sowieso noch etwas essen.« Er legte auf.
    Kurz vor acht, er hatte noch über eine halbe Stunde Zeit. Er zog die Schuhe im Sitzen an und ächzte, als er dazu den Oberkörper vorbeugte. Nachdem er in den Übergangsmantel geschlüpft war, hielt er kurz inne. Würde er einen Schal brauchen? Nein, die kalten Abende waren vorüber. Er tastete die Taschen nach dem Geldbeutel und dem Schlüsselbund ab, dann schloss er die Tür und fuhr mit dem Aufzug nach unten.
    Der Rossmarkt lag verlassen vor ihm, die Fußgängerzone war an den Sonntagabenden wie tot. Er bog in die kleine Seitengasse ab, die zum Park führte. Auch das Schöntal hatte sich geleert. Es war mit den Jahren zum reinen Durchgangspark geworden, und auch das nur noch bei Tag. Immer häufiger war von nächtlichen Überfällen zu lesen. Doch ihm war noch nie etwas passiert. Weder wollte ihm jemand an die Wäsche, noch sah er so aus, als trüge er eine dicke Geldbörse mit sich herum.
    Trotzdem beschleunigte er den Schritt und war froh, als er den Ausgang auf der anderen Seite erreichte und die Stille des Parks hinter sich ließ. Der hektische Verkehr, der Lärm der Autos im Kreisel vor den Schöntalweinstuben – sie waren ihm willkommen. Sein Lebensabend war entschieden zu still.
    In der Gaststube wählte er einen freien Tisch und setzte sich so, dass er den Eingang im Auge hatte. Er bestellte eine Winzerplatte und ein Viertel Ortega. Als er halb aufgegessen hatte, ließ er sich ein weiteres Glas kommen. Ungeduldig sah er auf die Uhr. Zehn vor neun, zwanzig Minuten über der Zeit. Er hatte sich daran gewöhnt, dass er warten musste. Als er noch in Amt und Würden gewesen war, hatte es das nicht gegeben. Wenn er als Leiter des Stadtbauamts einen Mitarbeiter zum Treffen bestellt hatte, duldete er keine Unpünktlichkeit. Vielleicht machten sich die Kollegen von einst gerade deshalb einen Spaß daraus, sich zu verspäten, seit er im Ruhestand war.
    Um Viertel nach neun legte er das Besteck aufs Holzbrett und schob es zurück. Er trank das Glas aus, überlegte, ob er sich ein drittes bringen lassen sollte, und entschied sich dagegen. Er hatte sich ans Warten gewöhnt, aber er war noch nicht so alt und bedeutungslos, dass man ihn versetzen durfte. Er ärgerte sich, dass er nicht auf den Rat seines Sohnes gehört hatte, sich ein Handy anzuschaffen.
    »Hat jemand für mich angerufen?«, fragte er, während er die Rechnung beglich. Der Wirt bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick. Er wusste, warum; er hatte diese Frage zuvor schon zweimal gestellt.
    Draußen hatte sich die Luft merklich abgekühlt. Der Verkehr war dünn geworden, nur noch vereinzelt schnitten Autoscheinwerfer Lichtkegel in die Dunkelheit. Vom Schöntal wehte ein würziger Wind herüber. Kempf atmete tief ein und überquerte die Kreuzung auf dem Zebrastreifen neben dem Kreisel. Dann verschluckte ihn der Park.
    Es wunderte ihn nicht, dass dieser Ort bei

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