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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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hat’s erwischt, er ist ziemlich schlecht dran. Sansom hat gesagt, dass ich dir Bescheid geben soll.«
    »Was ist passiert?«
    »Offenbar ist er von irgendeiner Bande überfallen worden. Haben ihn mit irgendwas verdroschen, Ketten oder Radeisen womöglich. Haben ein paarmal auf ihn eingestochen. Die Lunge erwischt.«
    »Irgendeine Ahnung, warum?«
    »Du weißt doch genauso gut wie ich, dass es dafür keinerlei Grund geben muss. Gibt’s vermutlich auch nicht. Er war halt einfach da.«
    Don wandte sich vom Telefon ab, sprach mit jemandem, hörte zu, sprach wieder.
    »Ich muss los, Lew. Jimmis Herz hat gerade ausgesetzt. Er stirbt ihnen weg.«

6
    Das Irre war, dass man dem Typ die Betroffenheit anmerkte. Seit dreißig Jahren versuchte er diesen Affenzirkus zu bändigen, wühlte im Sumpf und Schlamm wie ein Wels, und trotzdem konnte er sich noch um einen kleinen Sittenstrolch sorgen, der es auf Teufel kaum raus schaffen wollte.
    Als ich zum Krankenhaus kam – Don hatte mir nicht gesagt, in welchem er lag, und ich musste erst rumtelefonieren –, nahm er mich im Foyer in Empfang. »Komm, wir gehn uns besaufen, Lew«, sagte er. Und genau das machten wir.
    Für uns beide war es seit langem wieder das erste Mal. Wir fingen im Kolb’s mit dunklem deutschem Bier an und tranken uns langsam, aber zielbewusst zum Quarter durch. Stundenlang waren wir nüchtern und deprimiert, dann schlagartig besoffen und obenauf. Als die Leute in den Anzügen um fünf ihre große Hadsch nach Hause antraten, saßen wir in der hinteren Ecke einer Bar an der Esplanade Avenue, wo uns nur noch ein rehäugiger Barkeeper und ein paar halbwüchsige Transvestiten Gesellschaft leisteten, und schmorten im eigenen Saft.
    »Kannst du noch fahren, Lew?«, sagte Walsh.
    »Klar. Aber wenn ich fahre, musst du das Auto suchen.«
    »Is nur gerecht.«
    Aber er fand es nicht, und ich genauso wenig, und nachdem wir’s etwa eine Stunde lang versucht hatten, gingen wir zum Café du Monde. Stopften uns mit Gebäck voll und spülten es mit Zichorienkaffee runter, bis die Welt sich wieder langsamer drehte, ruckelte und zum Stillstand kam.
    »Es is noch beim Krankenhaus, auf dem Parkplatz«, sagte Don. »Das Auto.«
    »Richtig. Noch einen für unterwegs?«
    Er bestellte uns noch zwei Kaffee, und ich ging rein und rief Vicky an.
    Inzwischen war es fast zehn, und sie machte sich gerade für die Arbeit fertig. »Ich habe mir Sorgen gemacht, Lew«, sagte sie. Ich erzählte ihr kurz, was passiert war, und sagte, dass ich bald heimkäme. »Sei vorsichtig, Lew«, sagte sie. »Ich lass dir was zu essen auf dem Herd stehen.«
    Auf dem Herd standen Süßkartoffeln, Grütze und Schweinskoteletts, alles offensichtlich seit Stunden fertig – Essen, mit dem ich aufgewachsen war, das ihr aber völlig fremd war. Ich fragte mich, ob sie irgendwo ein Kochbuch gefunden (gab es für so was überhaupt Kochbücher?) oder mit meiner Mama geredet hatte. Jedenfalls hatte sie sich ziemlich Mühe gegeben. Ich versuchte sie im Krankenhaus zu erreichen, erfuhr aber, dass sie einen Notfall versorgen musste.
    Ich schlief schon fast, als sie zurückrief.
    »Ich hatte jemand mit schweren Stichwunden und habe höchstens zwei Minuten Zeit, bis der Gerichtsmediziner von der Freret rüberkommt«, erklärte sie mir.
    »Soul-Food«, sagte ich. »Wie heißt das auf Französisch?«
    »Wir haben heute Jubiläum, Lew. Ich wollte ein bisschen was Besonderes machen.«
    »Du bist was Besonderes, Vicky. Du brauchst nichts Besonderes zu machen.«
    »Der Gerichtsmediziner ist da, Lew. Ich muss weitermachen. Wir sehen uns morgen früh. Wir könnten vielleicht frühstücken gehen, da hätte ich Lust zu.«
    »Ich auch.«
    Danach Stille – das Säuseln der Klimaanlage, summende Leitungen. Irgendwo weit weg läuft im Radio alter Rock 'n' Roll. Ich mogle mich zwischen Erinnerung, Wunschdenken und Wirklichkeit hin und her, aber das eine kommt mit dem andern nicht klar. Knurrend und zähnefletschend umkreisen sie einander am Rande des Abgrunds. Blitze zucken aus den dunklen Wolken im Süden. Jetzt ist es hell – es könnte sieben sein oder auch elf –, und Vicky liegt neben mir.
    Wir verpassten das Frühstück. Irgendwann am frühen Nachmittag klingelte mich das Telefon aus dem Tiefschlaf, aber als ich mich meldete, war keiner mehr dran. Ich schaltete den Anrufbeantworter an und ging wieder ins Bett. Um fünf rum standen wir auf, duschten, suchten ein italienisches Restaurant in der Nähe auf und lasen bei etlichen

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