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Stiller

Stiller

Titel: Stiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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würde demnächst in Ruhm entschweben. »Der Tee ist fertig«, meldete sie und wartete, sie hätte nie gedacht, daß eine Kunst-Ausstellung so viel Vorbereitung verlangte wie eine Invasion (Rolf hatte ihr beim schwarzen Kaffee von den Churchill-Memoiren gesprochen), und Stiller tat ihr leid. »Wie findest du denn das Plakat?« fragte er, während er an dem Sockel schmirgelte. Sibylle hatte die Skizze auf Packpapier noch gar nicht bemerkt. »Ein Plakat soll es auch geben?« staunte sie, und in der Tat, es war ein regelrechtes Plakat wie für Furtwängler oder Persil, sie fand es schrecklich: A. Stiller, seine geliebte Handschrift an jeder Plakatsäule, vergrößert wie unter einer Lupe. Haben Männer denn überhaupt keine Scham? Und wenn es ihm wenigstens Spaß gemacht hätte; aber Stiller schimpfte über diese ganze Ausstellerei. Warum tat er’s denn? Er trank den Tee im Stehen, aß ihr Gebäck dazu, während er redete, und es regnete von Brosamen, er merkte es gar nicht ... Sibylle verließ ihn bald; für Vaterschaft war er jetzt nicht zu haben, schien ihr, und sie war zufrieden, daß Stiller sie nicht einfach hatte gehen lassen, sondern sie um fünf Uhr zum Segeln erwartete. Sie war glücklich, ihn an diesem Tage nochmals treffen zu können. Bloß um die Zeit zu vertreiben, ging sie durch die septemberliche Bahnhofstraße von Schaufenster zu Schaufenster, von Laden zu Laden, bis sie die netteste Krawatte von Zürich gefunden hatte. Leider, fiel ihr ein, hatte Stiller gar kein passendes Hemd zu dieser Krawatte. Sie kaufte das passende Hemd.
    Beim Segeln (so sagte Sibylle) war Stiller immer wie ein Bub, so ernst, ohne zu grübeln, und so gelöst, so glücklich mit seinem Spielzeug; er bediente Steuer und Leine, Sibylle lag vorne auf dem Bug, eine Hand oder einen Fuß im kräuselnden Wasser. Hier auf dem See waren sie frei, ohne das Gespenst. Die Ufer verloren sich in herbstlichem Dunst, ihr Segel leuchtete in der Milde der letzten Sonne, ostwärts ging der Himmel schon in violette Dämmerung über, und das Wasser neben ihrem gleitenden Boot war schattig, unter einer hellen Spiegelfläche beinahe schwarz. Sibylle legte ihren Kopf auf den Ellbogen, um die immer flacheren Strahlen der sinkenden Sonne voll im Gesicht zu haben, hörte das Geglucks unter dem Boot, wenn es in den Wellen eines Dampferchens schaukelte, und betrachtete Stiller, ihren beschäftigten Steuermann, aus blinzelnden Augen: – sein Gesicht, sein schmaler Kopf, sein fahles Haar im Wind, nein, er gefiel ihr schon sehr, dieser Mann, der vielleicht schon der Vater ihres zweiten Kindes war. Wie Rolf es aufnehmen würde? Eigentlich war sie wunschlos. Apropos Rolf: morgen würde er seine Staatsanwaltschaft antreten. Wie tüchtig sie sind! Jeder in seiner Art. Und Sibylle beschloß, vernünftig zu sein, zufrieden zu sein. Trotz allem. Sie war ja noch jung, und alles hatte Zeit. Irgend etwas würde schon geschehen! Vielleicht kommt ein Kind, vielleicht stirbt Julika, vielleicht fällt ein Stern vom Himmel, der alles ins reine bringt. Wie immer beim Segeln redeten sie wenig. Über dem See summte die Stadt mit ihrem Verkehr, Schulkinder winkten von einem heimkehrenden Dampferchen, und die Welt, so mit liegendem Kopf betrachtet, bestand überhaupt nur aus Farben, aus Glanz und Spiegelung und Schatten, aus Stille und Klang, das war nicht die Stunde, um Entscheidungen zu treffen. Wieso war’s nicht möglich, zwei Männer zu lieben? Stiller war ihr vertrauter, er war nicht ein Mann, der unterwirft. Rolf unterwirft. Das konnte fürchterlich sein, in mancher Hinsicht war es auch einfacher. Rolf verschwistert sich nicht mit der Frau. Einmal streiften sie eine Boje, so daß es ächzte, und Stiller, der von seiner Ausstellung geredet und nicht aufgepaßt hatte, entschuldigte sich. Rolf entschuldigte sich eigentlich nie; Rolf war selbstgerecht. Um Stiller konnte man Angst haben, um Rolf nicht. Beide zusammen in einer Person, das wäre es gewesen! Manchmal kam ihr Rolf wie ein großer Hund vor, ein Bernhardiner, den man besser nicht an die Leine nahm, um nicht umgeworfen zu werden. Stiller kam ihr wie ein Bruder vor, fast wie eine Schwester ... Unversehens war es kühl geworden, und Sibylle erhob sich, ging durch das wankendeBoot auf Stiller zu, faßte seinen Kopf mit ihren nassen Händen, küßte ihn über und über. Er ließ die Leine los, so daß das Segel flatterte, und fragte: »Was ist los?« Noch wußte Sibylle es selber nicht.
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    »Männer sind

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